Motorrad-Sicherstellungen nicht rechtmäßig

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Motorrad-Sicherstellungen nicht rechtmäßig

Beitragvon FranzKappa » 18.02.2009, 15:14

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Gerechtigkeit hat gesiegt: In zweiter Instanz ist die Sicherstellung von Motorrädern wegen Überschreitens von Tempolimits nun als nicht rechtmäßig beurteilt worden. Die bayerische Polizei hatte seit Sommer 2007 vereinzelt zu dieser unverhältnismäßigen Maßnahme gegriffen. Betroffene Motorradfahrer können nun Schadenersatzansprüche geltend machen, und die Behörden anderer Bundesländer werden von etwaigen Erwägungen Abstand nehmen.

Rechtsanwalt Ernst Schaller von der Münchener Kanzlei Prof. Mayer, Kambli, Schlauch & Kollegen im Interview

MO: Herr Schaller, herzlichen Glückwunsch zum Erfolg in zweiter Instanz! Bitte erläutern Sie Ihre Rolle in diesem Verfahren und wie Sie dazu gekommen sind.

Ernst Schaller: Wenn man wie ich im Großraum München lebt und das Motorradfahren als Hobby hat, kennt man natürlich die Kurvenstrecken am Kesselberg und im Sudelfeld. Ist man darüber hinaus noch bei Freunden und Bekannten, die das gleiche Hobby teilen, als Anwalt bekannt, werden allerlei Fragen, was den Bereich des Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitsrechts an einen herangetragen. Zahlreiche Fragen kamen speziell von Personen, die auf der Kesselbergstrecke und im Sudelfeld Bekanntschaft mit den dort häufig anwesenden Polizeibeamten machten. Im Juli 2007 erfuhr ich auf diese Weise von den Sicherstellungen. Ich machte daraufhin einen „Ortstermin“ am Kesselberg im August 2007. Dort angekommen, sah ich, dass gerade zwei Motorräder auf ein Abschleppfahrzeug verladen wurden. In der sogenannten „Applauskurve“ befanden sich zahlreiche Polizeibeamte und sogar ein Fernsehteam der ARD, das eine Reportage über die neue Polizeitaktik gegen „Motorradraser“ drehte. Einer der Fahrer, dessen Motorrad beschlagnahmt wurde, befand sich auf der Heimreise von einem Urlaub und hatte mit Sicherheit nichts mit der von den Behörden vermuteten „Rennszene“ zu tun. Er wusste nicht, wie er ohne Fahrzeug zurück nach Hause (nahe Frankfurt) kommen sollte. Dem anderen Fahrer wurde ein Motorrad weggenommen, das nicht einmal in seinem Eigentum stand. Dieser Tag war der Beginn meines Engagements gegen die Sicherstellungsaktionen, das nunmehr von Erfolg gekrönt wurde. In der Folgezeit erteilten mir zahlreiche Mandanten wegen Sicherstellungen Mandate, und ich erhob zahlreiche Klagen zum Verwaltungsgericht in München.

Am 12.03.2008 wurde erstmalig vom Verwaltungsgericht München einer der Sicherungsstellungsfälle verhandelt und entschieden. Das Gericht hat die Klage abgewiesen. Diese Entscheidung wurde von der Presse sehr ausführlich publik gemacht. Der breiten Öffentlichkeit wurde der Eindruck vermittelt, dass polizeiliche Sicherstellungen von Motorrädern wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtmäßig und „gerichtlich gebilligt“ seien.

Gegen das erstinstanzliche Urteil habe ich Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) eingelegt. Zur Begründung habe ich – ebenso wie in erster Instanz – darauf hingewiesen, dass eine Rechtsgrundlage für eine Sicherungsstellungsmaßnahme zur Gefahrenabwehr in dem zu entscheidenden Fall nicht besteht, da keine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung anzunehmen ist, wenn ein Fahrzeugführer lediglich die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40 km/h überschreitet. Auch wenn die Polizei mit der Maßnahme das wünschenswerte Ziel verfolgt, Unfälle zu verhindern, so ist sie nicht berechtigt, zusätzlich zum Ordnungswidrigkeitsverfahren eine weitere Repressalie exklusiv gegen Motorradfahrer zu kreieren. Wer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begeht, wird aufgrund der bestehenden Rechtslage ohnehin mit einem saftigen Bußgeld belegt, er erhält „Punkte in Flensburg“ und abhängig von der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung auch noch ein Fahrverbot. Die Wegnahme des Motorrads für mehrere Tage stellt zudem einen Eingriff in das grundgesetzlich garantierte Eigentumsrecht dar. Ferner werden Motorradfahrer im Vergleich zu sonstigen Verkehrsteilnehmern ungleich behandelt, da bei gleichen Geschwindigkeitsüberschreitungen lediglich Motorräder sichergestellt werden, nicht jedoch Pkw oder andere Kraftfahrzeuge.

MO: Worin liegen in diesem Fall die wesentlichen Unterschiede zwischen der Rechtsprechung in erster Instanz und nun in zweiter Instanz?

Ernst Schaller: Das Verwaltungsgericht München hat in erster Instanz die Sicherstellung als rechtmäßig beurteilt. Rechtsgrundlage sei Artikel 25, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz. Eine „konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ hat das Gericht angenommen, da mit einer Wiederholung erheblicher Verkehrsverstöße durch den Kläger gerechnet hätte werden müssen. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 42 km/h sei ein „derart massiver Verstoß gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit“, aus dem geschlossen werden könne, dass der Kläger „mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet“.

Diese Begründung überzeugte die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht. Sie waren der Auffassung, dass alleine die von meinem Mandanten begangene deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung nicht darauf schließen lasse, daß mein Mandant nach der Verkehrskontrolle die zulässige Höchstgeschwindigkeit erneut überschreiten würde. Die Wahrscheinlichkeit einer gesetzeskonformen Verhaltensweise nach einer Verkehrskontrolle entspreche eher der Lebenserfahrung.

Das Urteil wurde lediglich mündlich verkündet, es muß noch schriftlich vom Gericht abgefaßt werden. Die Entscheidung und das Aktenzeichen 10 BV 08.1422.

MO: Vertreten Sie wegen Sicherstellungen noch weitere Mandanten?

Ernst Schaller: Ja, diese Rechtsstreite sind noch beim Verwaltungsgericht München anhängig und stehen zur mündlichen Verhandlung an. Das Gericht hat die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in der Berufungsinstanz abgewartet, und es ist davon auszugehen, dass nunmehr sämtliche Verfahren unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Obergerichts entschieden werden.

MO: Werden Sie in diesen Fällen rückwirkend Schadensersatz fordern? Falls ja, wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein?

Ernst Schaller: Der Freistaat Bayern wird als Träger der Polizei Schadensersatz leisten müssen. Die von der Sicherstellungsaktion betroffenen Motorradfahrer, die gegen die Maßnahme geklagt haben, sind so zu stellen, als wenn die Sicherstellung nicht erfolgt wäre. Zu ersetzen sind die Abschleppkosten, Verfahrenskosten, Fahrtkosten und dergleichen.

MO: Was raten Sie denjenigen Motorradfahrern, die sich nicht gegen die Sicherstellung gewehrt haben und nicht geklagt haben?

Ernst Schaller: Diese Personen sollten zeitnah prüfen lassen, ob sie noch Rechtsmittel gegen die Sicherstellung erheben können. Es sind insoweit unterschiedliche Fristen einzuhalten.

MO: Was sollen Motorradfahrer tun, falls sie in der Zukunft trotz der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit einer Sicherstellung wegen Tempolimitüberschreitung konfrontiert werden?

Ernst Schaller: Falls in einem vergleichbaren Fall von Polizeibeamten die Absicht geäußert wird, das Fahrzeug sicherzustellen, sollte man als Betroffener zunächst versuchen, unter Hinweis auf die besprochene Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dies zu verhindern. Falls dies nicht gelingt, ist man leider gezwungen, auch eine unrechtmäßige Polizeimaßnahme zu dulden, ein „Notwehrrecht“ besteht nicht. Vielmehr müsste dann – wie bisher auch – Klage gegen die Sicherstellung erhoben werden.

MO: Welche Sicherstellungen von Motorrädern (oder Teilen) sind von dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht betroffen?

Ernst Schaller: Die Entscheidung betraf eine präventive Sicherstellung, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Rechtsgrundlage hierfür ist das Polizeiaufgabengesetz.

Von derartigen Sicherstellungen zu unterscheiden sind solche nach der Strafprozessordnung, die der Strafverfolgung dienen. Solche werden beispielsweise angewandt, wenn Fahrzeuge manipuliert sind und das Erlöschen der Betriebserlaubnis zu befürchten ist. Diese Fahrzeuge werden dann beschlagnahmt und zur Begutachtung verbracht.

MO: Vielen Dank für das Gespräch und für Ihren Einsatz.
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Beitragvon Presto » 18.02.2009, 15:28

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Beitragvon FranzKappa » 18.02.2009, 16:00

ich komme immer zu spät an!
:-)

aber wie man damal gesagt hat:

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Beitragvon Presto » 18.02.2009, 16:08

makes absolutely sure Bild
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