Wer Theo noch nicht kennt, kann sich hier informieren.
Vor einigen Jahren, während eines Kanadaurlaubes, machten wir einen, eigentlich nicht vorgesehenen Abstecher auf den Mount Revelstoke. Einer Laune nachgebend, fuhren wir mit unserem Wohnmobil den Berg hoch, stellten es auf einem Parkplatz ab und unternahmen eine kleine Wanderung. Auf halbem Wege kamen uns zwei Wanderer entgegen. Dies wäre eine seltene, wenn auch nicht ungewöhnliche Begegnung geblieben, hätten uns die Wanderer nicht mit unseren Vornamen angesprochen. „Uschi? Helmut? Seid Ihr es wirklich?“
Vor uns stand Martin und Daniela. Martin ist ein Freund aus Mopedtagen, den ich, nachdem er von München weggegangen und später nach USA ausgewandert ist, aus den Augen verloren habe. Das war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre her.
Und genau jener Martin stand nun, mitten in der Pampa, vor mir. Was ist das? Richtig! Ein Zufall.
Samstag, 19.04.2008, 14.30Uhr
Es klingelt. Ich begebe mich nach draussen. Wer steht an der Gartentüre? Lena und mein neuer burgenländischer Freund Theo.
Das Entsetzen scheint mir in das Gesicht geschrieben zu sein. Selbst „Superschnellchecker“ Theo bemerkt es. „Da bist Du jetzt aber überrascht, was?“ „Wir sind zufällig vorbei gekommen……“ Aha! Zufällig!
Was für mich ein Zufall ist, habe ich Eingangs beschrieben.
Uschi weckt mich! „Möchtest Du die beiden eigentlich vor der Gartentüre stehen lassen?“
Ja, möchte ich! Theo zumindest.
Natürlich bitte ich die Beiden herein.
„Wir wollten uns gerade einen Cappuccino machen. Wollt Ihr zufälligerweise auch einen?“
Zufällig haben wir ein paar Stücke Kuchen im Kühlschrank......mooooment! Wir haben eigentlich nie Kuchen zu Hause. Da ist doch was faul…….!
„Wir waren auf dem Viktualienmarkt und ein bisschen bummeln in der Fussgängerzone“ , erklärt Theo „ und da haben wir uns überlegt, wir könnten doch……“
Da haben wir es! Überlegt!! Das ganze ist generalstabsmäßig geplant worden. Von diesem österreichischen Terroristen. Ich sollte Herrn Busch mal einen dezenten Hinweis zukommen lassen.
Aber mal ganz ehrlich……es könnte auch sein, dass Lena und Uschi dahinterstecken.
Und schon fühlt sich Herr Neunmalklug wie zu Hause. Er schwadroniert schon wieder über die medizinischen Zustände hier, über hygienische Missstände dort. Faselt irgendetwas von einem winzigen Fisch, der beim pinkeln in die Harnröhre eindringt um sich dort zu verkeilen. Warum sollte ein Fisch so etwas tun? Will mich Theo etwa veräppeln?
Jetzt bringt er mich ins Spiel!
Ich schalte auf DefCon 1. Uneingeschränkte Gefechtsbereitschaft!
„ Also Helmut….Du gehst zum pinkeln in den Fluss und ehe Du Dich versiehst….“
„Halt Theofanos!“ Er mag es gerne, wenn ich seinen Namen nicht abkürze - glaube ich. „Warum in aller Welt sollte ich zum pinkeln einen so weit entfernten Ort aufsuchen? Zumal ich vor 14 Tagen unser Badezimmer habe renovieren lassen??“
Theo glotzt mich an wie ein waidwunder Elch. Sarkasmus und Zynismus sind ihm fremd.
Ein Blick in die Runde…..Uschi schmunzelt. Da habe ich also noch Spielraum. Lena kann sich das Lachen nur schwer verkneifen. Na also!!
Um die Situation etwas zu entschärfen, frage ich nach seiner momentan Lektüre. Theo liest gerne. „Rüdiger Nehberg“ lautet seine Antwort und schon bekomme ich eine kurze Inhaltsangabe geliefert. Birkenrindensuppe, Eisbad, Regenwürmer, etc.
„Theo, die Bücher haben die falschen Titel!“ werfe ich ein. „Sie müssten eigentlich anders lauten.“ „Ich habe einen an der Waffel“ oder „Überleben mit nur 75 Gramm Hirnmasse“.
Findet er gar nicht komisch! Uschi, Lena und ich schon.
Themawechsel! Theo hat zwei Laster. Nein, falsch. Theo macht alles wohl überlegt und mit Bedacht. Er hat keine Laster, allenfalls Leidenschaften. Und diese sind Segeln und Angeln.
Ich frage ihn einfach mal, was sich so tut in den Bereichen.
„Mensch Helmut! Wir könnten doch mal wieder Angeln gehen!“
Ich will schon ablehnen, da überkommt mich die Erinnerung.
Es ist schon 2 oder 3 Jahre her. Theo und ich sind beim Angeln. Er hat das organisiert. Tiroler Ache heißt das Flüsschen und ist die Heimat von Forelle, Saibling und Äsche.
Man fängt diese wohlschmeckenden Fische mit Fliege, Blinker, Wobbler und ähnlichem Gerät. Das Zeug soll auf Fische eine Wirkung haben, wie Cartier auf Frauen, sagt Theo.
Nach erfolglosen 2 Stunden fängt Theo innerhalb von wenigen Minuten 2 Forellen.
Sein Ehrgeiz ist angestachelt, zumal er schon einiges von dem Material im Fluss lassen musste. Abgerissen! Dem Flussgott geopfert, sagt er!
Nur mal so am Rande: Wo Theo geangelt hat, sollte man nicht barfuss in das Wasser gehen.
In seinem Eifer unterläuft ihm ein technischer Fehler. Der Blinker landet nicht im Wasser, sondern schräg hinter ihm, in einer Birke. 4 Meter über der Erde. Theo ist nicht erfreut, wie ich feststellen muss.
Er zieht und zupft, zerrt und rupft. Der Blinker bleibt wo er ist. Ich baue meinen Faltstuhl auf und nehme ein Bier aus der Kühltasche. Das kann noch interessant werden.
Theo schüttelt den Baum. Theo schlägt gegen den Baum. Nichts!!
„Helmut, siehst Du vielleicht wie der Blinker da oben hängt?“
„Nö!“
Ich bewege mich keinen Millimeter! Es hat ja immerhin 30° im Schatten. Und wie man bei übermäßiger Anstrengung aussieht, führt mir ja Theo vor Augen.
Er macht mir langsam Sorgen mit seinen verzweifelten Versuchen. Wenn ich ihn nicht mehr mit nach Hause bringe, machen mir Lena und Uschi die Hölle heiß.
„Theo, schneide die Schnur ab und mache Dir doch einen neuen Blinker dran!“
„Was???“ kreischt er wie von Sinnen. „Mit dem habe ich doch eben 2 Forellen gefangen! Bist Du verrückt!?“
Verrückt? Ich??
Plötzlich hat Theo eine Idee! Er will den Baum umsägen. Ich halte die Idee für völlig beknackt, da die Birke einen Stammdurchmesser von gut und gerne 10 cm hat und Theo lediglich ein Taschenmesser mit Säge. Aber ich halte den Mund und nehme mir noch ein schönes kühles Bier.
Theo werkelt und sägt, stöhnt und Flucht und schwitzt wie eine Sau. Innerhalb kürzester Zeit hat er zwei offene, blutende Blasen an seinen Chirurgenpfötchen. Und doch……die Birke fällt!
Dummerweise hatte sich der Blinker aber in einem Ast der danebenstehenden Birke verfangen.
Ich habe es vorher nicht gesehen. Ehrlich!
Nachdem ich wieder aus meinem Lachkoma erwacht bin, sind wir nach Hause gefahren.
Und als er mich jetzt so nett aufordert mit ihm mal wieder angeln zu gehen, sage ich spontan zu!
Alles für die Freundschaft!!
Die Mädels sind begeistert ob unserer neu entdeckten Gemeinsamkeiten!
Bei dem Unterhaltungswert, würde ich mit ihm sogar auf eine Tupperware-Party gehen.
So, Kuchen ist vertilgt. Einladung zu Abendessen unterbleibt erstaunlicherweise.
Meine Frau hat also doch ein schlechtes Gewissen. Ich werde sie demnächst mal zu dem Thema "Zufall" befragen.
Bis bald Lena und Theo!!
Gruss
Helmut