Von München nach Mannheim sind es etwas mehr als 400 Kilometer. Landschaftlich durchaus abwechslungsreich, da es sich allerdings um eine rein berufliche Reise, eine so genannte Dienstreise handelte, spielt dies hier nur eine untergeordnete Rolle.
Ich habe mir überlegt, dass die eleganteste, nervenschonendste und effizienteste Art, diese Nordbadenmetropole zu erreichen, die Nutzung eines ICE wäre. Statt 7 bis 8 Liter feinstes Diesel pro 100 Kilometer zu verbrennen und damit die Atmosphäre des Planeten weiter zu erhitzen, lieber nahezu schadstofffrei mit 250 km/h im Zug durch die Gegend zu gleiten. So malte ich es mir aus.
Ich muss anführen, dass ich sonst eigentlich nie Zug fahre. Ich habe noch so antiquierte Vorstellungen von schmutzigen Bahnhöfen mit zwielichtigen Typen, unpünktlichen und dreckigen Zügen mit Null Komfort. Es wird Zeit, dies endlich über Bord zu werfen. Dachte ich mir!
Um meinen Termin um 10 Uhr in Nordbaden wahr zu nehmen, klingelte der Wecker um 4 Uhr 45 Minuten, was auch für einen passionierten Morgenmenschen wie mich, eine eher frühe Zeit ist.
Die Idee war, mit meinem PKW auf meinen Parkplatz in der Münchner City zu fahren, zwei Stationen die U Bahn bis zum Hauptbahnhof zu nutzen um mich dann auf meinem reservierten Platz in den ICE zu setzen und mit wenig Emissionen iun die Stadt der Quadrate zu fahren.
Die Fahrt morgens durch die menschenleere Münchner Innenstadt wird begleitet durch die bekannt gut gelaunten Radiomoderatoren, die vorschlagen, heute blau zu machen und stattdessen zu einem See zu fahren und das Leben zu genießen . Schließlich soll es ja heute der bis dahin heißeste Tag des Jahres mit Temperaturen von über 30 Grad werden. Dazu spielen sie Summer in the City. Toll….
Mein Parkhaus macht um 6:30 Uhr auf. Ist mir bis dahin nicht aufgefallen. Es ist 5 Uhr 56. Ich fahre direkt zum Bahnhof. Auch dort gibt es wohl ein Parkhaus. Kannte ich bis dahin nicht. Als ich aussteige trete ich beinahe in die Überreste von etwas, was ……

Es riecht sehr streng nach Urin und sonstigen Fäkalien. Mein schöner Wagen steht wahrscheinlich im wohl dreckigsten Parkhaus Deutschlands. :irritiert:
Egal, ich schlendere Richtung Bahnsteig, weiche einigen Betrunkenen aus, die mich ob meines Anzugs anpöbeln. Der Wurfattacke mit einem gefüllten Bierbecher in meine Richtung kann ich geschickt ausweichen. Der ICE wartet schon auf mich. Noch 7 Minuten bis zur Abfahrt. Irgendetwas fehlt mir?? Mein Handy!!! Ich hab es doch eingesteckt!!! Klar, es liegt auf dem Autodach, dort, wo ich es beim Aussteigen in dem dreckigen Parkhaus hingelegt hatte, um mich meinem sorgfältig zusammengelegten Sakko zu widmen.
Panisch renne ich, mein Köfferchen an der Hand, wieder an den Besoffenen, denen allerdings die Biermunition ausgegangen ist, vorbei die 500 Meter bis zum Parkhaus. Die Reste der Burger King Pommes verfehlen mich.
Mein Handy liegt noch da. Geschnappt, eingesteckt und im Sprint wieder zu anfahrenden Zug zurück. Die Betrunkenen haben nix mehr zum Werfen.
Es ist schon erstaunlich warm um diese frühe Uhrzeit. Der Schweiß rinnt und das frische Hemd klebt das erste Mal an meinem Astralkörper und ist jetzt nicht mehr frisch.
Ich lasse mich auf meinem reservierten Sitz im Großraumwagen nieder, hole meine Unterlagen raus und freue mich, wie umweltbewusst ich doch bin. Vor mir sitzt eine Mutter mit ihren 3 Kindern. Zwei von ihnen klettern auf den Sitz, schauen mich unverwandt an und beginnen ein Gespräch mit mir. „Onkel“….ich möchte nicht um 6 Uhr irgendetwas sprechen, auch nicht mit Dreijährigen. Die etwas übergewichtige Mutter mit dicker Brille mischt sich ein, schaut mich auch von vorne über den Sitz an und erzählt mir, dass sie in den Urlaub fahren, in den Harz und zu ihren Eltern und die Kinder gerne Zug fahren, zumindest Vanessa…Aha!….Ich möchte auch nicht mit Müttern sprechen. Jetzt nicht.
Mark wirft mit Fetzen der zerrissenen Zugzeitung auf mich. Alle lachen, bis auf mich. Ich bin aber auch wieder schlecht drauf! Ich bitte Mark, das sein zu lassen, da ich arbeiten möchte. Mark lacht und schmeißt weiter. Vanessa und Kevin versorgen ihn mit Nachschub. Ich bitte die Mutter, positiv auf ihre neben ihr agierenden Kinder hinzuwirken. Sie fragt mich, ob ich Kinder habe. Nein, nicht jetzt diese Diskussion. Ich nehme meine Tasche und verlasse den reservierten Platz und begebe mich ins Bordrestaurant, wo ich Gummicroissant, nee, Buttercroissant mit Konfitüre und einer Tasse Kaffee knapp im Gegenwert einer Abwrackprämie zu mir nehme. Ich bekleckere meinen Anzug mit Aprikosenkonfitüre.
Nahezu ohne weitere Störungen gelange ich beinahe pünktlich bis Mannheim Hauptbahnhof!
Gehe die paar Schritte Richtung Wasserturm. Im (!) Bahnhof fährt mir ein Fahrradfahrer in die Hacken, meine Schuld, habe einfach in der Bahnhofshalle nicht mit Fahrradfahrern gerechnet. Den Fahrradfahrer erwische ich leider nicht mehr. Dafür hat mein Anzug jetzt hinten einen großen schwarzen Streifen am Bein. Mein Hemd klebt mir wieder am Körper.
Mannheim mag ich nicht. Nicht umsonst jammern die musizierenden Söhne dieser Stadt einen Tonträger nach dem anderen voll. Gefühlsmäßig ist dies die Stadt mit den meisten Opfern. Alles Unrecht dieser Welt stößt Mannheimern zu. Eine Jammer Stadt!
Beim amerikanischen Kaffeeröster nehme ich noch einen Cappu und Muffin mit frischen Himbeeren zu mir. Eigentlich hasse ich Muffins, aber ich liebe frische aromatische Himbeeren.
Es ist Himbeermarmelade….Sie tropft auf meine Krawatte. Neben mir beginnt ein Bauarbeiter mit einem Presslufthammer die Straße aufzureissen. Kennt eiegntlich jemand den Film Falling down mit Michael Douglas?
Egal. Wenn ich diese Stadt am frühen Mittag verlassen hab, werden sich die Personalkosten für ein namhaftes Unternehmen mal wieder reduziert haben. In spätestens 3 Stunden sitze ich wieder im ICE und dann…..schone ich weiter die Umwelt!
Mehr davon später