Ein BMW Fahrer in Australien, die etwas andere Reise....

Alles was nirgends reinpasst!

Beitragvon RHEINPFEIL » 04.12.2008, 08:40

Jahresendrallye :D
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..Knut fuhr voraus. Wir folgten dem Landcruiser. In der Station wurden wir schon erwartet. Von einem Typen, der aussah wie John Wayne in seinen besten Zeiten und zwei verkleideten Eingeborenen.
Wir mussten uns nebeneinander aufstellen, wohl um dem Obercowboy die Aufteilung auf die vorhandenen Vierbeiner zu erleichtern.

Nach welchen Kriterien die Auswahl vorgenommen wurde, blieb mir unklar.
John Wayne zeigte grinsend auf irgendeinen von uns und gab seinen Helfern unverständliche Anweisungen. Die latschten dann in aller Seelenruhe los und zerrten eines dieser armen Viecher von der benachbarten Koppel. Alles in Ruhe und ohne Hektik.

Als Dieter an der Reihe war, setzte dieser sofort zu einer langatmigen Rede an. Er wollte wohl seine Unerfahrenheit im Umgang mit Reitpferden deutlich machen. John Wayne schien aber keinerlei Interesse an irgendwelchen Erklärungen zu haben. Ich teilte dann dem Boss noch mit, dass Dieter bei uns den Spitznamen“Stockman-Dieter“ tragen würde.
John Wayne nickte kurz und murmelte irgendein Kommando. Dieter protestierte vorsichtig und sah mich dabei böse an.
Stockmen werden die australischen Cowboys genannt. Das wusste ich von Martin. Der hatte vor einiger Zeit auf einer Farm gearbeitet. Unter anderem als Viehtreiber, eben als Stockman.
Meine Schadenfreude war nur von kurzer Dauer. Mein Pferd machte einen verschlagenen Eindruck. Ein großes und irgendwie hässliches Tier.
Auch wenn ich bisher nie eine Spende für den „WWF“ oder „Tiere in Not“ lockergemacht habe, bedeutet das nicht etwa, dass ich etwas gegen Tiere hätte. Am liebsten sind mir natürlich die essbaren Tiere. Nach Möglichkeit im zubereiteten Zustand. Aber mal abgesehen davon mag ich auch Hunde.
Nicht so, wie die Chinesen sie mögen. Nein, völlig ursprünglich und lebendig. Ich hatte sogar selbst mal einen Hund. Hunde finde ich gut.

Aber … Pferde?
Es war nicht ganz einfach das Vieh zu erklimmen. Als ich dann aber oben war, fühlte ich mich zwar besser aber keinesfalls sicher.
Dieter hockte auf seinem Tier, wie der berühmte Affe auf seinem Stein. Vermutlich wird er das Gleiche von mir gedacht haben. Es ging dann auch sofort los und die Karawane bewegte sich in gemächlichem Tempo in diesen angrenzenden Eukalyptuswald. Ich hatte keinen Lenker zum Festhalten und sah auch sonst keine Möglichkeit Richtung und Geschwindigkeit dieses Kleppers, irgendwie zu beeinflussen.
Zum Glück marschierte der völlig selbstständig hinter den Anderen her.
Ich war vollauf damit beschäftigt mein Gleichgewicht zu halten. Anke und Martin begannen dann auch noch damit, irgendwelche Überholmanöver zu starten. Mir wurde ganz flau im Magen, als mein Pferd plötzlich auch das Tempo erhöhte. Ich wankte hin und her und hüpfte gezwungenermaßen dabei auch noch auf und ab. Dieter machte ebenfalls ein äußerst unglückliches Gesicht und klammerte sich krampfhaft am Sattelknauf fest.
Der Rest der Truppe kam offenbar ganz gut zurecht. Anke strahlte mich an und schien sich sehr wohl zu fühlen. Viele gut gemeinte Ratschläge durfte ich mir anhören. Irgendwie sollte ich die Zügel strammziehen oder die Steigbügel oder was auch immer. Habe ich auch alles versucht aber das Pferd hat nie richtig reagiert. War wohl völlig falsch eingestellt, das Biest.

Im Eukalyptuswald ging es dann auf und ab. In den Bäumen hingen überall diese komischen Spielzeugbären herum. Das war wohl hier die Hauptattraktion. Keines dieser Koalas bewegte sich auch nur einen Millimeter. Möglicherweise waren die gar nicht echt und John Wayne und seine Kumpane hatten stattdessen irgendwelche Steifftiere an die Bäume getackert. Zugetraut hätte ich denen das allemal.
Ob nun echt oder nicht- die Evolution war mit dieser Gattung noch nicht ganz fertig, das war offensichtlich. Den lieben langen Tag am Baum herumhängen und ausschließlich Eukalyptusblätter fressen. Das kann doch wohl nicht alles sein.
Wenn man zu gar nichts taugt, dann wenigstens als abschreckendes Beispiel. Aber die Biester dienen ja dann auch als Originalvorlage für Kuscheltiere.
Wenn dann im Rahmen der allgemeinen Globalisierung hier mal irgendwann die ersten kletterfähigen Raubtiere auftauchen, dann hat sich das Thema schnell erledigt.

Während ich so vor mich hingrübelte, legte mein Pferd einen Zahn zu. Nun wurde es aber wirklich lustig. Wahrscheinlich hatte das Tier inzwischen gemerkt, dass sein Reiter völlig unbegabt war. Ich betätigte in meiner Not völlig wahllos sämtliche vorhandenen Bedienungsinstrumente.
Erwartungsgemäß passierte nichts. Jedenfalls nichts wirklich Hilfreiches.
So langsam hatte ich aber nun den Kaffee auf. Martin galoppierte schon die ganze Zeit wie ein Hütehund um die Gruppe herum. Er erkannte sofort mein Problem und bremste mein heimtückisches Reittier ab. Dieter war inzwischen weit zurückgefallen. Sein Pferd schien deutlich phlegmatischer zu sein. Da hatte John Wayne wohl doch die richtige Auswahl getroffen.
Mir stand die Begeisterung über diesen tollen Ausflug wohl ins Gesicht geschrieben. Martin hatte jedenfalls ein Einsehen und begleitete uns beide behutsam und fürsorglich wieder zurück zu Ausgangspunkt. John Wayne schien auch nicht wirklich überrascht, als wir deutlich vor der Zeit wieder auf der Bildfläche erschienen. Ich war heilfroh, als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

Man kann mich auf alles draufsetzen, was irgendwie fährt und Räder hat. Überhaupt kein Problem. Von mir aus auch ein Jet-Ski oder Rennboot oder sonst was. Damit komme ich klar.
Sogar mit einem Ultra-Light–Flugzeug bin ich schon selbstständig gestartet und geflogen. Ohne Probleme und ohne jede Erfahrung. Der Pilot hinter mir war begeistert, oder zumindest hat er so getan.
Kunststück, das Ding wurde von einem BMW-Boxermotor angetrieben und der Pilot suchte noch Flugschüler.

Aber mit einem Pferd komme ich nicht zurecht. Die gleichen Probleme hätte ich wahrscheinlich auch mit anderen Reittieren. Esel, Kamele, Elefanten oder was sonst noch vier Beine hat. Das ist nicht meine Welt. Interessiert mich irgendwie auch nicht.

Die Anderen aber wohl schon und deshalb warteten „Stockman-Dieter“ und ich, geduldig auf deren Rückkehr.
Endlich trabten sie heran. Muss wohl noch ganz toll gewesen sein, im Eukalyptuswald. Ein Koala hatte sich wohl tatsächlich bewegt.
Nein, wie süß.
Mir ist eigentlich nur noch der belämmerte Gesichtsausdruck dieser trägen Viecher in Erinnerung geblieben.
Blöd aber süß. Irgendwelche Parallelen zu bekannten Prominenten fallen mir nun auf. Apropos Reinkarnation- Paris Hilton ist doch auch völlig überflüssig ... aber süß. Und eine geeignete Vorlage für eine chinesische Großserienproduktion wäre sie auch. Hat eben vieles einen tieferen Sinn, wenn man mal gründlich darüber nachdenkt.

Zurück im Camp wurden wir sofort mit weiteren komischen Tieren konfrontiert. Plötzlich wimmelte es hier von Wallabys. Diese Zwergkängurus oder Bergkängurus oder wie sie auch immer genannt werden, schienen hier wohl ihr Revier zu haben. Die hüpfenden Viecher hielten einen großen Sicherheitsabstand ein und hatten sich wohl hier zum Abendessen versammelt. Die Australier halten sie für eine echte Landplage. Praktisch veranlagt, wie die Einheimischen so sind, haben sie diese kleinen Beuteltiere mittlerweile ziemlich dezimiert.
Die Schafzüchter haben diese Nahrungskonkurrenten für ihr Nutzvieh jedenfalls schon immer wirtschaftlich sinnvoll genutzt. Aus dem Fell werden oder wurden Plüschtiere gefertigt und das Fleisch wird zu Dosenfutter verarbeitet.
Da haben die Koalas ja noch mal Glück gehabt, dass Schafe keine Eukalyptusblätter von den Bäumen zupfen.

Olli war schon ziemlich weit mit den Steaks und Bier gab es auch.
Na denn … kommt dann wohl endlich der gemütliche Teil.
Ich griff mir schon mal die eine und andere Dose, hockte mich in einen Klappstuhl und beobachtete die Wallabys beim Hüpfen.
Während einige Übereifrige noch mit der Salatproduktion beschäftigt waren, dachte ich noch mal in Ruhe über weitere Verwendungsmöglichkeiten für Paris Hilton nach. Oder wie auch immer das damalige Topmodel dieser Gattung hieß …

Ach ja, und da war ja da auch noch das Problem mit dem nun überzähligen Motorrad und meiner Sozia und der armen Eva …
Probleme über Probleme.
Ich öffnete gedankenverloren die nächste Dose. In der Ruhe liegt die Kraft, irgendwie würde mir schon noch irgendwas einfallen.
Das Bier war kühl und die Steaks waren fertig.
Die Wallabys hüpften munter umher und die Sonne versank so langsam am Horizont.



Fortsetzung folgt
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Beitragvon RHEINPFEIL » 16.12.2008, 08:24

Jetzt wirds mal wieder schmutzig :D

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...Es sah alles danach aus, als ob es ein gemütlicher Abend werden würde.
Vielleicht hatte ich aber ein wenig zu unbedacht dem guten Dosenbier zugesprochen. Jedenfalls war mein Urteilsvermögen bereits schon zu Beginn, ein wenig eingeschränkt. Vorsichtig formuliert.
Mit meinen Reitkünsten hatte ich an diesem Tag jedenfalls keine Punkte machen können. Das war mir trotz der eingefüllten Biermenge noch durchaus bewusst. Kompensatorisch probierte ich es deshalb mit Humor.
Humor trifft die Sache vielleicht nicht so ganz. Sarkasmus wäre genauer.
Als natürlicher Verbündeter kam eigentlich nur Dieter infrage. Der hatte sicherlich auch kein Interesse daran, hier die zweite Lachnummer des Tages zu werden.
Seine Strategie war aber scheinbar anders angelegt. Er hatte sich bereits mit großem Engagement bei der Herstellung der Salate hervorgetan. Dann half er auch noch engagiert mit, bei der Dekoration der gemütlichen Tischrunde. Auch in einem völlig nüchternen Zustand habe ich kein Talent für derartige Aktivitäten.
Ehrlich gesagt-ich habe es eigentlich auch nie ausprobiert. Es gibt immer irgendwelche Leute, die daran Spaß haben. Ich gehöre nicht dazu.
Am Grill vorbereitetes Fleisch braten, das mache ich auch noch. In der einen Hand die Fleischgabel und in der anderen Hand die Bierdose.
Aber der Job war schon vergeben. Logisch …!

Natürlich bekam ich dann auch die volle Breitseite ab. Die Vorlage war auch zu verführerisch. Der Anblick meines verkrampften Körpers auf diesem Pferd musste wohl alle sehr inspiriert haben. Mit Sarkasmus kommt man da auch nicht wirklich weiter. Ganz im Gegenteil, jeder Kommentar meinerseits rief nur neues Gelächter hervor.
Nachdem mir dann auch noch mein Steak vom Teller gerutscht war, wurde ich hochoffiziell zum Grobmotoriker des Tages erklärt.

Ist der Ruf erst ruiniert … kann man dann wenigstens noch ungeniert dem Alkohol frönen. Mangels anderer Alternativen suchte ich mir deshalb ein ruhiges Plätzchen in unmittelbarer Nähe der Monsterkiste … dieser Kühlbox mit dem Dosenbier.
Zu meinem großen Bedauern hatte sich auch Anke durch besonders detaillierte Beschreibungen meiner unglücklichen Reiterfigur hervorgetan.
Die Einzige, die scheinbar Verständnis für meine Defizite aufbrachte, das war Eva. Kein Mitleid- sondern Verständnis möchte ich ausdrücklich betonen. Wer will denn schon Mitleid?
Eva hatte sogar verständnisvoll ihren Klappstuhl herangeschleppt und sich neben mich gesetzt. Das fand ich sogar ganz außerordentlich verständnisvoll.

Wir führten dann tatsächlich noch wirklich tiefschürfende Gespräche. Glaube ich wenigstens, denn wie gesagt, ich hatte schon reichlich …
Auch wenn ich nicht mehr ganz im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte war, konnte ich trotzdem noch die wesentlichen Sicherheitsbestimmungen einhalten. Im Wesentlichen den Sicherheitsabstand. Aber eigentlich mehr zufällig. Wenn die Kühlbox nicht zwischen uns gestanden hätte …

Anke war plötzlich aus meinem Sichtfeld verschwunden. Wer sonst noch fehlte, konnte ich nicht zweifelsfrei feststellen. Eva schien ebenfalls ein Auge auf die Gruppe geworfen zu haben. Das Umfeld war ziemlich dunkel, nur der Tisch und seine unmittelbare Umgebung war durch die übliche tragbare Lampe beleuchtet.
Eva erhob sich, um einem menschlichen Bedürfnis nachzukommen. Wie es der Zufall so will, verspürte ich zeitgleich ähnliche Bedürfnisse.
So machten wir uns also gemeinsam auf den Weg in die Dunkelheit. Wir gingen in Richtung einer nahegelegenen Baumgruppe, die sich schwach erkennbar gegen den Nachthimmel abzeichnete.
Dort angekommen blieb Eva stehen und zog sich unter ihrem Jeansrock den Slip herunter. Wortlos hockte sie sich hin. Ich drehte mich herum, um den nächsten Baum anzupeilen.
Man weiß ja schließlich, was sich gehört.
Normalerweise weiß man das, aber wie gesagt … es war eben schon zu fortgeschrittener Stunde. Und außerdem …
Ich kehrte um und blieb neben ihr stehen. Sie blickte irgendwie seltsam zu mir auf. Es war zu dunkel, um ihren Gesichtsausdruck detailliert deuten zu können. Aber selbst bei Tageslicht wäre es mir zu diesem Zeitpunkt sicher nicht mehr möglich gewesen.
Da kann man eben nur improvisieren.
Während wir weiterhin Augenkontakt hielten, stand sie langsam auf und zog den Slip langsam wieder hoch. Sie machte einen Schritt auf mich zu.
Das war nicht nur mit dem Zaunpfahl gewunken, das war schon mit dem Zaunpfahl auf den Kopf … aber wer sich in Gefahr begibt.
Manche Entscheidungen muss man eben spontan und unreflektiert treffen.
Ja, meine Güte was hat man denn schon für Möglichkeiten, in so einer Situation. Selbst unter kontrollierten Bedingungen kommt man aus solch einer Nummer kaum heraus.
Ich umfasste also, quasi gezwungenermaßen, ihre Hüften um sie auf Distanz zu halten. Irgendwie muss sie aber meine Absicht falsch gedeutet haben. Sie zog jedenfalls sofort wieder ihren Slip aus. Diesmal ganz und komplett. Alles geschah wortlos und leise.
Sie schob mich dann ziemlich zielstrebig in Richtung eines Baumes. Sie drehte mir den Rücken zu, bückte sich ein wenig und stützte sich mit beiden Händen an dem Baumstamm ab.
Na, herzlichen Glückwunsch. Da möchte ich aber jetzt mal diese Moralprediger sehen. Wie kann man nur … oder solche Sprüche.
Jedenfalls hatte ich in diesem Moment irgendwie spontan keinerlei ethische Bedenken.
Aber auch diese berüchtigte -postkoitale Depression- stellte sich nicht sofort danach ein. Eigentlich überhaupt nicht, wenn ich mich richtig erinnere. Aber so ganz genau erinnere ich mich auch nicht mehr.

Nur noch daran, dass Eva einen kleinen Umweg machte, um aus einer anderen Richtung zu ihrem Platz zurückzukehren als ich.
Anke jedenfalls schien irgendwie besorgt auf meine Rückkehr gewartet zu haben. Ich musste ganz tief in die Trickkiste greifen und alle meine schauspielerischen Talente hervorkramen, um glaubwürdig den fröhlichen Trunkenbold zu geben. Hat aber funktioniert, an diesem Abend jedenfalls.
Im Zelt hatte ich dann Kopfschmerzen. Etwas Besseres fiel mir auf die Schnelle nicht ein.
Aber man weiß ja schließlich, was sich gehört ...!


Fortsetzung folgt
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Beitragvon RHEINPFEIL » 17.12.2008, 08:29

Und schon gehts weiter :D
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...Es war eine ruhige Nacht. In jeder Beziehung … gibt es eben auch ruhige Nächte. Bei Sonnenaufgang flüchtete ich schnell aus dem Schlafsack. Getrieben nicht nur vom Dosenbier, sondern auch und vor allem, vom schlechten Gewissen. Partieller Gedächtnisverlust lag nämlich keiner vor und irgendwie wollte ich heute mal der Erste unter der Dusche sein.
Vielleicht klappt das auch bei mir, diese Reinwaschung von begangenen Sünden.

Ich fühlte mich irgendwie schlecht. Die Abbauprodukte des vergorenen Gerstensaftes waren daran sicherlich nicht ganz unbeteiligt aber zusätzlich plagte mich mein Gewissen.
Das kannte ich in dieser Form eigentlich nicht, denn einen gewissen, wenn auch nur leichten Hang zur Promiskuität, hatte ich eigentlich immer schon.

Es war vielleicht auch gar nicht das neu entdeckte Gewissen, sondern eher die aufkommende Erkenntnis, dass ich ab jetzt ganz besondere Vorsicht an den Tag legen musste. Man kennt doch diese unerklärlichen weiblichen Instinkte, diese nicht nachvollziehbaren Ahnungen und hintersinnigen Fragestellungen. Das weiß man doch alles vorher.
Wenn es dem Esel zu wohl ist … oder … wer keine Probleme hat, der macht sich eben welche.

Sei’s drum, die normative Kraft des Faktischen bestimmt nun das Geschehen und ein offensiver Umgang mit Problemen führt häufig zum Erfolg.
Das habe ich mal in einem Managment-Seminar gelernt.
Derart selbst motiviert und optimistisch überstand ich das gemeinsame Frühstück ohne schwere Verletzungen.

Die Fahrt ging weiter. Heute stand Adelaide auf dem Programm. Adelaide ist die Hauptstadt von Südaustralien. Eine richtige moderne Großstadt. Mehr als 1 Million Einwohner und landestypisch weiträumig angelegt.
Eigentlich zog mich überhaupt nichts in eine moderne Großstadt. Das kann ich auch woanders haben. Dazu muss ich wirklich nicht um die halbe Welt fliegen. Aber ich hatte auch ein Problem, was sich nur dort lösen ließ.

Meine Kreditkarte war defekt. Rein technisch natürlich. Der Magnetstreifen war angeblich nicht lesbar. Zu meinem großen Erstaunen verweigerten die meisten Geschäfte grundsätzlich die Annahme. Das hatte mir vorher niemand gesagt. Als dann tatsächlich mal einer das Plastikteil akzeptierte, da versagte der Magnetstreifen. Und dabei war das keine exotische Karte, sondern die berühmte güldene AE.
Die meisten Australier weigerten sich einfach das Ding anzunehmen. Der prozentuale Abzug ist ihnen wohl zu hoch. Über die internationale Kontaktnummer hatte ich bereits mit der deutschen Zentrale telefoniert.
Die taten völlig überrascht und schienen von derartigen Problemen noch nie gehört zu haben.
Diese Heuchler!
Jedenfalls hatten sie wenigstens dafür gesorgt, dass in der Geschäftsstelle in Adelaide eine neue Karte bereitlag.
Das war dann also mein ganz persönliches Tagesziel. Diese AE-Geschäftsstelle in Adelaide.

Also nicht direkt mein Tagesziel, sondern unser Tagesziel. Anke hatte nämlich beschlossen, an diesem Tag noch einmal als Sozia dabei zu sein. Offiziell wegen Linksverkehr und Großstadt und so … . Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass dies nicht der einzige Grund war. Jedenfalls bereitete ich mich schon einmal mental auf „Instinkt kombiniert mit hintersinnigen Fragestellungen“ vor.
Kennt man doch … diese Methoden. Bloß nicht kalt erwischt werden. Ich war inzwischen stocknüchtern und mental gut vorbereitet. Ich würde maximalen Widerstand leisten … soviel war sicher.

Wir hatten ausnahmsweise ziemlich detailliertes Kartenmaterial bekommen und dazu die üblichen guten Wünsche. Die Strecke führte durch relativ kultivierte und eine landwirtschaftlich intensiv genutzte Landschaft. Der Verkehr war immer noch sehr spärlich aber zumindest vorhanden. Die lang vermissten Überholmanöver erweckten wieder die alten Jagdinstinkte. Wir lieferten uns die üblichen kleinen Überholgefechte.
Tempolimits gab es zwar wurden aber auch konsequent ignoriert. Nur Dieter fuhr nach Vorschrift, wie gehabt.
Irgendwann, nachdem ich einen respektablen Vorsprung herausgefahren hatte, nötigte mich Anke zum Anhalten. Irgendwelche Getreidefelder säumten den Highway. Ich fuhr langsam einen schmalen Feldweg entlang, um dann einige Hundert Meter weiter anzuhalten.

Es war schön ruhig und fast romantisch. Sie nahm den Helm ab und schüttelte die langen Haare zurecht. Wie eben Frauen ihre Haare so zurechtschütteln, wenn sie …

Ich war vorbereitet, das hatte ich ja schon erwähnt.
Anke strahlte mich an und sah sich suchend um. Ein wirklich ruhiges und romantisches Plätzchen hier. Sie zog zuerst ihre Lederjacke aus … normal.
Dann zog sie aber auch die Lederhose aus.
Auf hintersinnige Fragestellungen war ich gut vorbereitet. Aber auf derart heimtückische und irgendwie auch hintersinnige, nun doch nicht.
Hatte sie mich also doch erwischt …

Also, falls das ein Test gewesen sein sollte, dann kann ich voller Stolz behaupten, dass ich ihn bestanden habe. Ich bin nicht darauf hereingefallen. Ich habe mich völlig normal verhalten. So wie immer.
Sie hat auch tatsächlich nichts gemerkt. Jetzt nicht im Sinne von überhaupt nichts gemerkt, sondern … nichts auffälliges … bemerkt.
Ganz im Gegenteil, um ganz sicher zu gehen, habe ich sogar noch ein paar Kohlen nachgelegt. So leicht lasse ich mich nicht austricksen. So leicht nicht.

Nach dieser scheinbar gelungenen Vorstellung ging es weiter in Richtung Adelaide. Der Verkehr wurde langsam immer dichter und in der Ferne waren schon Wolkenkratzer zu erkennen. Adelaide-Zentrum.
Ich folgte den ersten Hinweisschildern …


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Beitragvon RHEINPFEIL » 19.12.2008, 08:12

zum Wochenende gehts weiter .... :D
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..Einen genauen Plan, was mein exaktes Ziel anbetraf, hatte ich nicht. Mir war zwar der Straßenname bekannt und auch die Hausnummer, das war es aber auch schon. Improvisation ist eine meiner Stärken. Deshalb knatterten wir gut gelaunt und völlig entspannt in Richtung Zentrum.
Mein biologisches Navigationssystem, womit nicht etwa die aufgeregte Sozia gemeint ist, sondern dieser sechste Sinn für das automatische Auffinden von Zielen in unbekannter Umgebung, dieses System arbeitete wie so oft … autonom und zuverlässig.

„Weißt du überhaupt wo wir hin müssen?“, quakte Anke in meinen geöffneten Helm, als wir mal wieder an einer Ampelkreuzung auf grünes Licht warteten.
Ich deutete mit dem Finger auf eine Reihe hoch aufragender Gebäude in einiger Entfernung und klopfte ihr beruhigend auf den ledernen Oberschenkel.
Die alte Methode eben. Völlige Ahnungslosigkeit durch selbstbewusstes Auftreten kaschieren.
Grüner konnte es nicht mehr werden, deshalb blieb ich auf meiner Spur und scheuchte die XT weiter durch den großstädtischen Verkehr. Die Wolkenkratzerzeile war ein guter Orientierungspunkt und Kreditkarten haben ja auch irgendwie etwas mit Banken zu tun. Diese wiederum haben auf der ganzen Welt die Angewohnheit sich in den jeweils höchsten Hochhäusern einzunisten. Was in Düsseldorf oder Frankfurt gilt, das gilt dann sicherlich auch in Melbourne oder Adelaide.

Irgendwie führte uns unsere Straße aber in eine falsche Richtung. Mittlerweile wurde die ganze Sache aber auch ein wenig unübersichtlich. Dreispurige Straßen mit dichtem Verkehr und dazu noch alles auf der falschen Seite, sehr ungewohnt und alles andere als einfach.
Wir mussten irgendwie abbiegen sonst würden wir die Wolkenkratzerzeile verfehlen. An der nächsten Kreuzung bog ich also mit vollem Elan nach rechts ab und gab Gas.
Meine Sozia trommelte mir aber sofort, wie von Sinnen, beidfäustig auf den Schultern herum und hüpfte dazu exstatisch auf und ab.
Eine verständliche Reaktion, denn eine geschlossene Front von Geisterfahrern rollte dreispurig auf uns zu. Unverschämterweise betätigte die erste Angriffswelle dieser Blechdosen dabei auch noch ihre Licht-und Akustikhupen.
Da muss man die Nerven behalten. Bange machen gilt nicht. Das war mal wieder eine von diesen Situationen, in denen man nicht allzu viel Zeit hat, um einen ordentlichen Plan zu entwickeln. Genau genommen eigentlich überhaupt keine Zeit um irgendeinen Plan zu entwickeln.
Da müssen dann einfach die unbewussten und antrainierten Motorradfahrerreflexe die Kontrolle übernehmen. Erst reagieren und dann denken. Meine Sozia klebte derweil auf meinem Rücken wie ein riesiger Rucksack. Im Rückblick glaube ich, dass sie mich in diesem Moment nicht nur mit den Armen sondern auch mit beiden Beinen umklammert hatte.
Aber ich kann mich auch täuschen.

Wozu hat man eine geländetaugliche Enduro, wenn man damit nicht auch eine Bordsteinkante überwinden kann. Großstadtdschungel eben.
Ich habe wohl einen scharfen Haken geschlagen und vor dem Frontalaufprall auf die rettende Bordsteinkante auch noch irgendwie das Vorderrad ein Stück hochbekommen. Jetzt nicht im Renntempo, sondern mit dem Fuß auf der Bremse. Gerade mal soviel, um nicht die hintere Felge komplett zu killen. Es gab trotzdem einen ordentlichen Schlag und eine Menge erstaunter Blicke von den hektisch zur Seite hüpfenden Fußgängern.
Na also … geht doch!
Bloß nicht in Panik geraten, in unerwarteten Situationen. Hab ich dann auch Anke erklärt. Aber die hatte in dem Moment kein Ohr für meine Expertentipps. Aber mit der Zeit lernt sie das auch noch, da bin ich ganz sicher. Manchmal muss man eben ein wenig Material opfern, um Schlimmeres zu verhüten.

Die XT hatte den Stunt ziemlich gut weggesteckt. Die hintere Felge war zwar leicht verformt aber die Speichen waren noch alle an ihrem Platz.
Das Federbein schien aber kurzfristig überfordert worden zu sein. Aus dem Dämpfer tropfte ein wenig ölige Flüssigkeit heraus. Nur ganz wenig aber immerhin. Hatte ja auch schon einiges auf dem Buckel, der Dämpfer. Normalerweise muss er so was abkönnen. Aber nichts hält ewig. Auch japanische Stoßdämpfer nicht.

Wie es der Zufall so wollte, hatten wir die gesuchte Straße tatsächlich getroffen. Fast eine Punktlandung. Die nächste Querstraße war jedenfalls die Richtige.
Wir ließen die leicht angeschlagene Yamaha einfach an der nächsten Ecke auf dem breiten Gehweg stehen und suchten das Büro auf.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, das uns die Passanten anstarrten. Wir passten in unserem Outfit einfach nicht in diese elegante Umgebung. Diese großstädtischen Australier unterschieden sich in keiner Weise von ihren Zeitgenossen auf der Düsseldorfer Königsallee. Elegante und perfekt geschminkte Geschäftsfrauen in teuren Kostümen. Glatt rasierte Bänker in dunklen Anzügen und all die anderen Bankenviertelgestalten.
Ein echter Kulturschock. Wenn man wie wir, direkt aus dem Outback kommt, dann war das hier eine komplett andere Welt. Eine irgendwie Künstliche und Unechte.
Das war nicht Australien, das war … ich weiß auch nicht.
Wir waren uns sofort einig, so schnell wie möglich aus dieser Umgebung wieder zu verschwinden. In einer der teuren Schaufensterscheiben spiegelte sich unsere Erscheinung. Leicht struppig und schmutzig, mit Stiefeln und Halstüchern. Ungeschminkt und unrasiert. Wie zwei Bauarbeiter auf dem Wiener Opernball.

Die Tanten im AE-Büro erinnerten mich irgendwie an Stewardessen. Oberflächlich freundlich und unverbindlich. Ich tauschte schnell die Karte aus und wir verließen fast fluchtartig diese edelholzvertäfelte und mit blitzsauberem Teppichboden ausgelegte Kunstwelt.
An der Yamaha hatten sich zwischenzeitlich die auch hier allgegenwärtigen Politessen vergangen. Ein Ticket klebte auf dem Tacho.
Diese Unverschämtheit beschleunigte unsere Flucht in die Natur nur.
Deutlich aufmerksamer als bei der Hinfahrt achtete ich nun auf Einbahnstraßenschilder. Nur raus hier.

Am Stadtrand angekommen nahm ich unser Kartenmaterial unter die Lupe. Glücklicherweise lag unser heutiger Campingplatz weit weg von dieser Großstadt. Mehr als 50 km.
Das Hinterrad würde diese Entfernung, mit ein wenig Glück und gutem Zureden schaffen, und die natürliche Beleuchtung war auch noch ausreichend.
Also dann…

Wir erreichten dann auch den markierten Platz ohne größere Probleme. Allerdings auch ohne größeren Luftdruck im Hinterreifen. Ein bisschen Schwund ist eben immer.
Alle waren da. Nur unser Landcruiser fehlte. Kein Gepäck, keine Zelte und vor allem –keine Buschküche. Martin, der gezwungenermaßen das überzählige Motorrad fahren musste, war ebenso ratlos wie wir. Die hätten längst hier sein müssen.

Wir warteten und vertrieben uns die Zeit mit Spaziergängen auf dem weitläufigen Platz. Wie fast immer war die Belegung sehr übersichtlich.
Einige Wohnmobile verloren sich auf dem riesigen Gelände. Camping schien hier nicht sehr beliebt zu sein oder es war einfach die falsche Zeit.
Stunden später traf dann tatsächlich der Landcruiser ein. Der zog aber einen völlig unbekannten und fast neuen Anhänger hinter sich her. Die Aufschrift auf der Plane war die eines weltweit tätigen Verleihunternehmens.
Knut war alleine und ziemlich einsilbig. Olli fehlte. Es war inzwischen dunkel geworden und künstliche Beleuchtung war nicht vorhanden. Wir stellten also die XTs in einer ausgeklügelten Formation auf und beleuchteten mit laufenden Motoren und Fernlicht den Platz. Gepäck und Zelte wurden schnell ausgeladen und in Windeseile aufgebaut. Wir hatten das mittlerweile gut drauf.
Knut machte sich schweigsam an den Aufbau der Buschküche. Neugierigen Fragen wich er geschickt aus. So nach und nach ergab sich dann doch noch ein Bild. Olli hatte den Landcruiser samt Anhänger in einen Straßengraben gesetzt. Der Landcruiser hat das ohne große Beschädigungen überstanden. Der Anhänger allerdings ist dabei wohl zu Bruch gegangen.
Eigentlich keine große Sache für das Team von WWBTT. Irgendwas geht immer zu Bruch, auf deren Touren.
Auch die Tatsache, dass der gute Olli mal wieder mehr Promille im Blut hatte als ein englischer Hooligan nach dem Pokalsieg, war angeblich nicht das Problem. Vielmehr seine fehlerhafte Aufenthaltsgenehmigung.
Das klang alles ziemlich plausibel, aber wenn ich ganz ehrlich sein soll … irgendwie glaubte ich die Geschichte nicht.
Sie hatten den Olli aus dem Verkehr gezogen, soviel war sicher.
Warum nun genau, das blieb dauerhaft ein Betriebsgeheimnis.

Schlimm war auch noch, dass ich nun dem ohnehin schlecht gelaunten Knut noch irgendwie die Sache mit dem Hinterrad nahebringen musste.
Ich griff mir eine Dose und legte mir einen geschickten Plan zurecht. Das hätte ich mir allerdings auch schenken können, denn Anke war schneller.
Zur Strafe musste ich assistieren. Es gab noch ein Ersatzrad. Aber das war auch nicht gerade neuwertig, vor allem der Reifen hatte schon bessere Tage gesehen. Hauptsache rund ... Profil braucht man hier auf den Straßen sowieso nicht. Große Ansprüche konnte ich mir in meiner Situation auch nicht leisten. Manchmal muss man eben nehmen, was man kriegen kann.
Da bin ich oft ziemlich pragmatisch. Aber ich glaube das ist kein überraschendes Geständnis. Auch wenn das unter Umständen jetzt vielleicht ein bisschen missverständlich klingen könnte.
Es war noch eine Heidenarbeit diese Kettenschmiere wieder von den Fingern zu kriegen. Aber man kann ja schließlich nicht mit schmutzigen Händen schlafen gehen.
Nachher gibt das noch eine Infektion.

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Beitragvon RHEINPFEIL » 23.12.2008, 08:18

Kurz vorm Fest noch ne Folge :D
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...Knut hatte wohl die Absicht uns noch mit einigen touristischen Impressionen zu beglücken. Ein wenig an der Küste entlang, um die hier so beliebten Lobsterspezialitäten genießen zu können. Danach ging es dann direkt in den Bundesstaat Victoria. Den Gardenstate Victoria. Weil es da so schön grün und gartenmäßig sein soll. Aber vor allem, weil dort die berühmte Great-Ocean-Road lockte. Die angeblich schönste Strecke der Welt. Zumindest die schönste Strecke in Australien. Eine Steigerung, was die Schönheit der Streckenführung anbelangte, war prinzipiell eigentlich unvermeidlich. Noch öder als bisher konnte es eigentlich nicht mehr werden.

Ab sofort war ich wieder Solofahrer. Martin musste den abwesenden Olli ersetzen und Anke hatte nun die Pflicht das überzählige Motorrad zu bewegen. Da wäre jede Weigerung auf völliges Unverständnis gestoßen.
Das Wetter war an diesem Tag ziemlich schlecht. Es war richtig bewölkt und fast kühl. Für uns, die wir noch an die heißen Outbacktemperaturen gewöhnt waren, ein fast winterliches Klima.
So ungefähr mit dem durchschnittlichen deutschen Frühsommer vergleichbar. Aber es war noch früh am Tag und schlimmer sollte es nicht werden.

Das erste Ziel des Tages war ein Restaurant, in dem es diese besagten Lobster geben würde. Es gab natürlich eine Unmenge von Lobsterrestaurants an der Küste. Warum nun ausgerechnet dieses ausgewählt wurde, war ziemlich augenfällig. Ein gigantischer Lobster aus Plastik oder sonstigem Material war an der Straße aufgestellt worden. Diese Skulptur war größer als ein Elefant und entsprach dem Original in allen Details. Ein maßstabsgerechtes Monster.
Nun, man muss diese Hummertiere nicht schön finden. Aber ich finde, dass auch unschöne Lebewesen nicht lebendig gekocht werden sollten.
Diese Zubereitungsmethode habe ich nie verstanden. Was spricht denn dagegen, diese armen Viecher vorher zu töten?
Das ist auch der wesentliche Grund, warum ich die nicht esse. Aus Prinzip gewissermaßen. Aber auch diese selbstlose Verweigerung rettet wahrscheinlich kein einziges dieser Tiere vor dem Kochtopf. Da stehe ich auf verlorenem Posten, ähnlich wie die Veganer. Aber wenigstens das Gefühl ein besserer Mensch zu sein bleibt. Auch wenn es der gequälten Kreatur nicht wirklich hilft.
Von dieser Warte aus beobachtete ich dann die Anderen beim mitleidlosen Verzehr dieser final gequälten Meerestiere.
Alternativ aß ich irgendwas mit Fisch. Der ist vorher wenigstens ordentlich erschlagen oder erstochen worden.
Man darf gar nicht darüber nachdenken.

Das Wetter besserte sich zusehend. Die Fahrt führte uns weiter in Richtung Victoria. Am Nachmittag erreichten wir ein weiteres Zwischenziel.
Knut meinte es wirklich gut mit uns an diesem Tag. Es gab schon wieder Tiere. Diesmal allerdings Lebendige. Irgend so ein Zoo. Kein richtiger Zoo sondern mehr ein kleiner Tierpark. Da hatte man nun wirklich alles eingesperrt, was irgendwie typisch war, für diese Weltgegend. Alles Tiere, die sich nur hier unten heimisch fühlten. Grundsätzlich habe ich Mitleid mit allen Wildtieren, die in Käfige gesperrt werden. Aber ich will hier mal nicht den Jammerlappen raushängen lassen. Mitleid ist eine Sache, aber natürliche Neugier ist ja auch eine originäre menschliche Eigenschaft.
Also bestaunte ich gemeinsam mit den Kollegen die inhaftierte Fauna.

Zwei Tierarten fand ich irgendwie interessant. So ein Wombat sieht aus wie ein Meerschwein, ist aber so groß wie ein Hausschwein. Über seine Gewohnheiten weiß ich nichts mehr, aber die werden wohl ähnlich sein wie die von Meerschweinen. Nur mehr eben.
Diese tasmanischen Teufel waren allerdings noch interessanter. Etwa katzengroße, schwarz bepelzte Allesfresser. Nach menschlichen Maßstäben absolut soziopathische Charaktere. Bösartig und rücksichtlos. Es würde zu weit führen insbesondere ihr Paarungsverhalten hier zu thematisieren.
Man kann sich nur voller Schaudern abwenden, wenn man sich näher mit diesen Kreaturen befasst. Selbst Mike Tyson ist gegen diese Teufel ein ausgemachter Gentleman im Umgang mit dem anderen Geschlecht. Und der hat sich auf diesem Gebiet auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Im Namen aller Emanzen habe ich dann heimlich Rache geübt, an diesen rücksichtlosen Viechern. Ich habe heimlich Toastbrot in ihr Gehege geworfen. Das war strengstens untersagt. Mehrere Schilder wiesen ausdrücklich auf dieses Verbot hin. Aber das hat nur meinen latenten wissenschaftlichen Forscherdrang angestachelt.
Der wurde dann auch umgehend befriedigt. Es gab ein regelrechtes Gemetzel im Gehege der Beutelteufel. Laut schreiend und fauchend kämpften die verhaltensgestörten Viecher um das olle Toastbrot. Nicht ahnend das sie hinterher auch noch üble Verdauungsbeschwerden haben würden.
Anke missbilligte meinen Feldversuch ausdrücklich und kritisierte ihn auf das Heftigste.
Erst Hummer essen und dann hier die Tierschützerin machen. So richtig konsequent war das auch nicht. Habe ich dann auch angemerkt, mangels anderer Argumente.
An den anderen Gefangenen habe ich dann keine Versuche mehr vorgenommen. Die waren auch so schon, genug bestraft.


Die Strecke wurde dann fahrerisch noch deutlich interessanter. Das fehlende Profil an meinem Hinterrad machte sich gelegentlich bemerkbar. Die Straße war teilweise feucht und in den nun zahlreicher werdenden Kurven wurde es schon mal ein wenig rutschig. Aber alles noch beherrschbar. Für die Great-Ocean-Road brauchte ich dann wohl doch noch eine bessere Pelle. So ein Abflug in den letzten Tagen würde den Erholungswert deutlich schmälern. Das würde selbst Knut einsehen müssen.
Der hatte allerdings zunächst kein Ohr für meine Bedenken. Aber er wollte darüber nachdenken. Anke war ziemlich müde und hatte sich sofort nach dem Zeltaufbau zum Zwecke des Gesundheitsschlafes niedergelegt.

Das unerbittliche Schicksal ließ mich in der Dusche auf Eva treffen. Was soll ich lange drum herum reden. Gelegenheit macht Liebe oder wenigstens so etwas Ähnliches, auf alle Fälle aber auch unvorsichtig.

Martin kam irgendwie zu einem äußerst unpassenden Zeitpunkt in den Duschraum. Vielleicht hätten wir die Tür auch sorgfältiger absperren sollen.
Irgendwelche Erklärungen erübrigten sich. Wer diese Situation missdeuten könnte, der würde auch den Weihnachtsmann für den Osterhasen halten.
Es gab nichts zu beschönigen. Martin bestaunte noch einen kurzen Moment die unerwartete Darbietung und verschwand ganz schnell wieder aus dem zweckentfremdeten Duschraum.

Naja, was kann man machen. Mir war irgendwie klar, dass er die Klappe halten würde. Unter Männern ist so etwas Ehrensache. Eva wurde aber plötzlich hektisch. Frauen sind da irgendwie komplizierter. Mit Ehrensachen geben die sich nicht einfach zufrieden. Die wollen dann auch noch irgendwelche expliziten Versprechungen hören. Sie machte sich jedenfalls umgehend an die Verfolgung des unfreiwilligen Voyeurs, um ihm ein umfassendes Stillschweigen abzunötigen. Ich duschte erstmal in Ruhe zu Ende. Da brennt schon nichts an. Martin hält dicht. Da war ich mir ganz sicher.
Obwohl….



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Beitragvon RHEINPFEIL » 28.12.2008, 21:08

Auch nach dem Fest gehts weiter :D
###################

...Um nicht in einen vermeidbaren Gewissenskonflikt zu geraten weckte ich die schlummernde Anke nicht persönlich. Martina war so freundlich und rüttelte am Zelt herum. Unauffällig unterhielt ich mich angeregt mit Heinz.
Der machte alles andere als einen fitten Eindruck. Der alte Bursche hatte den Klimawechsel offenbar nicht so richtig wegstecken können. Er schwächelte sichtlich. Aber der Leder-Heinz war kein Typ, der irgendwie mit seinen zweifellos vorhandenen Gebrechen hausieren ging.
Der würde klaglos durchhalten, solange es nur irgendwie ging. Manchmal sieht man das Unglück herannahen und hat irgendwie keine Möglichkeit etwas zu beeinflussen. Das hier war solch eine Situation. Da kann man nichts machen.
Heinz war alt genug. Der wusste was er tut. In dieser Beziehung hatte er mir einiges voraus.

Meine beiden Favoritinnen schienen sich in den letzten Tagen irgendwie immer besser zu vertragen. Sie sprachen miteinander und manchmal lachten sie sogar.
Aber Lachen ist ja manchmal auch nur eine gute Methode um anderen die Zähne zu zeigen. Diese fremdartige Kommunikationsform, also dieser scheinbar freundliche, aber in Wirklichkeit äußerst feindselige Austausch von Mitteilungen, blieb für mich nach wie vor, ein Buch mit sieben Siegeln. Das können in dieser Perfektion nur Frauen.
Da macht man am besten den harmlosen Unbeteiligten und stellt sich dumm. Die erwarten auch nichts anderes von uns dusseligen Dreibeinern. Wenn die wüssten, dass viele von uns dieses Spiel schon längst durchschaut haben, würden sie sich möglicherweise etwas anderes ausdenken. Das kann ja wohl niemand wollen. Also machte ich gute Miene zum bösen Spiel und spitzte die Ohren.
Wer weiß schon in welcher Codierung hier intime Geheimnisse und spitzfindige Bosheiten ausgetauscht werden. Irgendwie konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Eva eine Attacke ritt. Es wurde Zeit die beiden Freundinnen unauffällig zu trennen.

Soweit war es also gekommen. Da habe ich einen blanken Hinterreifen, auf dem Grill liegen Steaks und in der Kühlbox kalte Bierdosen. Anstatt mich nun um diese wirklich wichtigen Dinge des Lebens zu kümmern, grübele ich hier über die Feinheiten der weiblichen Kommunikation nach.
Wie tief kann man eigentlich noch sinken?

Martin kam heran um mir eine gute Nachricht zu überbringen. Morgen würde es einen neuen Reifen geben, hatte er von Knut erfahren. Außerdem würde in Kürze auch Jürgen wieder dabei sein, das wiederum hatte er von Eva erfahren. Von mir erfuhr er dann noch, dass Motorradkameradenverrat, eine schwere, wenn auch relativ unbekannte Todsünde ist. Das sollte ihn nachdrücklich beeindrucken, diesen Studenten aus dem katholischen Bayern.
Nach diesen tollen Nachrichten war dann ja wohl eine Dose fällig. Es gab zwar kein Weißbier aber die Bayern sind da doch ziemlich flexibel.
Heute auch mal kein Fosters oder Budweiser. Heute gab es -Victoria Bitter-und zwar reichlich.
Wenn man nicht dauernd über irgendwelche Probleme nachgrübelt, steigt die Stimmung ganz von allein.

Am nächsten Tag ging es früh los. Wir würden nun den Gardenstate Victoria unsicher machen. Die Great-Ocean-Road war das Tagesziel. Diese berühmte Straße war nach dem Ende eines der beiden Weltkriege als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, von irgendwie übrig gebliebenen und nun überflüssigen australischen Soldaten gebaut worden. So ähnlich wie die ersten deutschen Autobahnen. Das Prinzip klang irgendwie vertraut.
Dem Herrn Keynes und seiner antizyklischen Konjunkturtheorie sei Dank.

Diese Strecke führt aber nicht nur an diesem Great-Ocean entlang, sondern generell ringförmig durch diesen Gardenstate. War wohl doch eine größere Konjunkturkrise damals. Jedenfalls sind ungefähr 300 km dabei herausgekommen. Dann kam wohl endlich der nächste Krieg und die Jungs mussten nicht mehr buddeln sondern wieder ballern.

Wir fuhren jedenfalls durch wirklich schöne und grüne Landschaft voller Bäume und Pflanzen. Richtig schön. Wir peilten den oberen Punkt dieses riesigen 300-km-Ovals an, um von dort aus in einer Richtung diese Straße abzufahren. Es war fast wie am Mittelmeer. Nur ohne Meer. Ein wenig wie in der Toscana. Kein Vergleich mit den trockenen und öden Wüstengebieten die nun plötzlich im Norden lagen. Aber wenn man nicht gerade auf eine Landkarte sieht, dann fällt das nicht auf. Selbst wenn, ist doch völlig egal.

Es gab nun ständig was zu fotografieren.
Hin und wieder habe ich dann auch mal ein Foto gemacht. Natürlich nicht jedes Motiv direkt 10-mal, so wie viele der anderen Touristen. Die digitale Fotografie war damals noch nicht massentauglich und deshalb war ich sparsam mit meinem Filmmaterial. Diese Angewohnheit habe ich beibehalten. Nur wenige Fotos, aber dafür aussagestarke Bilder. Nachher muss ich dann aber leider meistens feststellen, dass sie so extrem aussagestark auch wieder nicht sind. Aber dieses Problem haben andere Hobbyfotografen wohl auch.
Anke jedenfalls, fotografierte ständig und dazu noch Alles und Jeden. Bis auf Eva natürlich. Die natürlich nicht. Jedenfalls nicht so, dass die es merken würde. Man kann eben nicht-nicht kommunizieren.
Der Tag verlief friedlich und beschaulich. Alles nach Plan.
Dann fehlte nur noch mein neuer Hinterreifen und die Great-Ocean-Road kann kommen.

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Beitragvon RHEINPFEIL » 31.12.2008, 12:26

Jahresendfolge, Guten Rutsch ! :D
++++++++++++++++++++

...Der neue Reifen lag bereit, als wir am Tageszielpunkt ankamen. Knut hatte das Teil wohl inzwischen irgendwo beschafft und machte sich auch direkt an die Montage. Mit einfachen Mitteln, wie gehabt. Montiereisen, Schraubenzieher und Stiefel. Mehr braucht man nicht.

Vorausgesetzt man hat etwas Übung. Knut hatte diese Übung, aber irgendwie oder vielleicht gerade deshalb, ging er ziemlich lustlos zu Werke.
Hinterrad runter … Reifen runter … dann den Neuen, mit Schlauch natürlich, drauf und fertig. Ein kleiner 12-Volt-Kompressor half beim Aufpumpen aber sonst … alles Handarbeit. Natürlich nicht nur Handarbeit, sondern auch eine Menge Fußarbeit. Staunend standen wir um den Schauplatz des Geschehens herum und bewunderten den Künstler bei der Arbeit.
Ich hätte mir bei dieser Aktion wahrscheinlich Finger, Hände oder Füße gebrochen oder mir andere mittelschwere Verletzungen beigebracht.
Das ist nicht ganz so einfach, wie es sich anhört. Wer es mal selbst versucht hat, weiß genau, was ich meine.
Knut ging unverletzt aus diesem Kampf, gegen die Tücke des Objekts, als Sieger hervor und ich hatte einen neuen Hinterreifen.

Ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten half ich dem Allrounder dann aber auch bei seiner Kochorgie. Kartoffeln in Alufolie einpacken und solche Dinge. Die Sache mit dem Salat übernahmen dann aber doch noch begabtere Persönlichkeiten. Aber zumindest der gute Wille war erkennbar. Die etwas unförmigen Stücke, die ich bis dahin produziert hatte, allerdings auch.
War aber auch nicht schlimm. Denn wer alles kann, muss alles machen.
Salat schnippeln kann ich eben nicht. Motorräder demolieren dafür aber ziemlich gut.
Dies behauptete Knut jedenfalls, während unserer intensiven gemeinsamen Küchenarbeit. Er schien überhaupt den Eindruck gewonnen zu haben, es in meinem Fall mit einer ziemlichen destruktiven Persönlichkeit zu tun zu haben.
Martin musste wohl doch geplaudert haben. Knut erging sich in mehr oder weniger vagen Andeutungen. Das war auch gut so, denn der Feind hörte wohl mit. Meine Kommentare waren deshalb auch nur vage aber durchaus verständlich. Zumindest für den Adressaten.

Nachdem das dann auch geklärt war, gingen wir zum gemütlichen Teil über. So sah es am Anfang jedenfalls aus. Eva gab sich außerordentlich freundlich und platzierte sich direkt neben mir. Anke kam ein wenig später und befand diese Konstellation für nicht akzeptabel. Katzengleich quetschte sie sich in die kaum wahrnehmbare Lücke, die sich noch auftat.
Dieser raumfordernde Prozess sorgte für eine umfassende Bewegung auf der Klappbank und kostete einem der Schweizer seinen Ecksitzplatz.
Den Letzten beißen eben die Hunde. So richtig wohl war mir allerdings auch nicht. Diese doch recht aggressive Vorgehensweise ließ für die Zukunft nichts Gutes erahnen.
Andererseits markierte hier nur jemand sein Revier. Aber das ziemlich deutlich. Martin, der auf der anderen Seite des Tisches saß, konnte nur mühsam ein Grinsen unterdrücken. Mir hingegen war überhaupt nicht nach Grinsen zumute.
Mein wohl ziemlich gequälter Gesichtsausdruck verschaffte mir einen Ausweg. Rückenschmerzen schienen eine Fluchtmöglichkeit zu eröffnen. Anke bot sich dann auch sofort an, mit chinesischen Spezialgriffen die offenbar verspannte Rückenmuskulatur zu lockern.
Chinesisch oder japanisch oder was weiß ich. Egal, nur weg hier.

Wir verließen die gemütliche Runde jedenfalls sehr früh, um die heilende Wirkung ostasiatischer Massagetechniken zu erproben.
Nach Aussage der Expertin funktionieren diese fernöstlichen Kunstgriffe nur, wenn beide Kontrahenten sich vorher jeglicher Kleidung entledigen. Der aktive Teil des Duos sitzt dabei auf dem Delinquenten und dieser muss sich dann entspannen. In der Bauchlage ist das auch weiter kein Problem. Warum man sich allerdings bei Rückenbeschwerden dann aber auch noch auf den Rücken legen muss, war mir zunächst eher unklar. Aber diese Chinesen wissen schon, was gut ist. Eine uralte Kulturnation.
Als ich dann entspannt die Augen öffnete, bot sich mir ein bereits bekannter aber immer wieder gern gesehener Anblick. Vielleicht wäre auch Einblick eine passendere Bezeichnung. Diese Chinesen … die haben wirklich Ahnung.
Man darf nicht immer nur nehmen, man muss auch geben können. Um kostbare Zeit zu sparen, kann man das auch zeitgleich erledigen.
Diesmal war ich nur zweiter Sieger. Aber ich war ja auch immer noch irgendwie abgelenkt.
Danach ging es noch indisch weiter. Seite 12-15 in diesem alten Kultbuch. Ayurveda oder wie das heißt.
Am nächsten Morgen hatte ich dann tatsächich Rückenbeschwerden. Diese dünnen Isomatten bringen es wirklich nicht.

Die geplante Tagesstrecke allerdings schon. Zunächst fuhren wir wieder durch wirklich schöne Landschaften. Der erste geplante Treffpunkt waren die „Zwölf Apostel“. Eine Felsformation an der Küste. Es war leicht warm aber eher Frühling als Sommer. Mein neuer Hinterreifen hatte mittlerweile ordentlich Grip und deshalb gab ich der XT mal wieder richtig die Sporen. Bäume, Felder und Kurven, fast wie zu Hause. So langsam kam ich wieder in diesen Rhythmus. Diesen Flow … wenn alles läuft und man mit dem Gefährt eine Einheit bildet. Wenn die Bedienelemente irgendwie nur Fortsätze des Körpers zu sein scheinen. Wenn die Drehzahl der Kurbelwelle und der eigene Herzschlag irgendwie synchronisiert sind.
Das kennt man und das sucht man. Diesen „Flash“ der Motorradfahrer.
Hier hatte ich zum ersten Mal auf dieser Tour wieder dieses Erlebnis.
Bei mir kommt das auch nur richtig zum Vorschein, wenn eine entsprechende Umgebung vorhanden ist.
Hier passte es mal wieder. Schön war’s …


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Beitragvon RHEINPFEIL » 04.01.2009, 19:28

Auch im neuen Jahr gehts weiter :D
##############

...Zugegeben, eine XT ist wirklich kein allzu sportliches Gerät. Wenn man sportlich mal rein auf die Straße bezieht. Man kann allerdings auch mit diesem Einzylinder ordentlich um die Kurven wedeln. Da stören selbst die recht grobstolligen und schmalen Reifen kaum. Wer bremst verliert … in diesem Fall allerdings höchstens an Geschwindigkeit. Denn die Anderen hatte ich längst aus dem Blickfeld verloren.
Es war mal wieder, wie so oft davor, danach und bis heute immer noch.
Ein Mann, ein Motorrad und eine Straße. Ich weiß … das klingt irgendwie ziemlich banal und unvernünftig und das ist es wohl auch. Aber wenn ich immer nur vernünftig wäre, dann würde mir wahrscheinlich etwas Wesentliches fehlen. Es ist schwer zu beschreiben und wohl nur für echte Motorradenthusiasten nachvollziehbar, aber wenn dieser ominöse Punkt erreicht ist, dann gibt es kein Halten mehr. Dann werden die Grenzbereiche ausgelotet.

Mit den Jahren ist die notwendige Selbstbeherrschung deutlich angewachsen, etwa in der gleichen Größe wie die Anzahl der knapp überstandenen gefährlichen Situationen. Oft war es wirklich nur reines Glück. Es hätte in vielen Fällen auch ganz anders ausgehen können.
Die häufigen gehörten Vorwürfe wegen meines oftmals halsbrecherischen Fahrstils sind inzwischen etwas leiser geworden. Leiser zwar, aber immer noch hörbar.

Jedenfalls damals, auf dieser Great-Ocean-Road, bewegte ich mich mit der Yamaha im absoluten Grenzbereich. Mit den jämmerlichen 48 PS wurde jeder Überholvorgang zum Abenteuer. Es gab eben keinerlei Leistungsreserven für falsch berechnete Manöver. Deshalb sollte man auch tunlichst richtig rechnen, wenn man schon einen solchen Fahrstil bevorzugt. Das gilt auch für extreme Bremsmanöver. Die Bremsanlage der XT ist ihrer Leistung angepasst. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
An den berühmten „Zwölf Aposteln“ wäre ich fast vorbeigejagt. Nicht nur fast sondern tatsächlich.
Lediglich ein paar Felsen im Meer.
Nur einige herumstehende Autos und deren fotografierende Insassen deuteten auf eine Sehenswürdigkeit hin. Schilder beachte ich in der Regel sowieso nicht. Das stört nur meine Konzentration, wenn ich dann mal so richtig in Schwung bin.
Aber Treffpunkt ist Treffpunkt, deshalb warf ich den Anker und wendete.

Geduldiges Warten auf den Rest der Gruppe ist eine meiner Tugenden. Ob sich das jemals ändern wird?
Und dann immer diese Diskussionen, wenn sie dann endlich eingelaufen sind. Hast du dieses und jenes gesehen … diese vielen landschaftlichen Details eben.
Nö, hab ich nicht!
Dafür kann ich dann aber auf den Meter genau den Abstand dieses roten Toyota Corolla vom Scheitelpunkt der letzten Kurve angeben.
Und natürlich auch die Haarfarbe des Fahrers im entgegengekommenen Kleinbus vor 3 ½ Minuten, nachdem ich dieses Wohnmobil noch ganz knapp geschafft habe.
Ich registriere eben nur die wirklich wichtigen Dinge.
Schließlich war ich hier um Mopped zu fahren und nicht auf einer erbärmlichen Kaffeefahrt.
Diese Sichtweise stößt auch heute noch oftmals auf Unverständnis.
Aber ich habe gelernt damit zu leben.

Da standen nun also diese Kalksteinfelsen im Meer herum. Aber nicht etwa 12 Stück, wie man glauben könnte. Neun waren es nur. Warum die nun die „Zwölf Apostel“ hießen, konnte selbst Knut nicht beantworten.
Die natürliche Erosion wird dafür sorgen, dass diese Bezeichnung irgendwann mal auf die „Sieben Zwerge“ geändert wird. Das macht dann wenigstens Sinn.
Nach einer schier endlosen Fotosession ging es endlich weiter. Meine Reifen und Bremsen waren abgekühlt und mussten wieder mühsam auf Betriebstemperatur gebracht werden. Aber ohne Fleiß kein Preis.
In Richtung Osten wurde die Strecke immer spektakulärer.

Was soll ich sagen? Einfach nur … Grandios!
So etwas habe ich noch nie gesehen. Da verging selbst mir die hier völlig unangemessene Heizerei.

Man muss sich das folgendermaßen vorstellen.
Da fährt man aus einem Waldstück kommend eine lange abfallende Straße entlang. Kilometerweites Sichtfeld. In alle Richtungen.
Links eine Landschaft wie im Schwarzwald. Dunkelgrüne bewaldete Hügel, teilweise mit Tannen und Laubhölzern bedeckt. Dazwischen sattgrüne Wiesen mit Schafen. Rechts allerdings … endloser weißer Sandstrand mit Meer und Palmengewächsen.
Völlig unvereinbare Landschaften. Wie in einer gigantischen Halle die mit völlig unterschiedlichen Fototapeten ausgekleidet wurde. Oben drüber ein blauer Himmel, links mit weißen Wolkenknäueln und auf der anderen Seite nur tiefblau.
Da verging selbst mir für eine gewisse Zeit das Rasen. Da hält man einfach an und macht ein Foto. Das geht gar nicht anders. Ohne Beweisfoto glaubt einem das kein Mensch.
Diese Landschaft ist nicht zu toppen. Sämtliche exotischen Geschmäcker werden hier gleichzeitig bedient.
Die haben wirklich Ahnung von Tourismus, diese Leute in Victoria. Wer hier nicht total begeistert ist, den möchte ich mal sehen.
Die Great-Ocean-Road schwang sich dann noch über Hügel und durch wirklich tolle Wälder. Kurven und Wald wie im Bergischen Land und daneben Meer mit Strand. Regelrecht lyrisch um’s Herz, konnte es einem hier werden.
Da ich aber das Bergische Land schon zur Genüge kannte und Meer mit Strand ebenfalls, konzentriert ich mich bald wieder auf das fahrerische Erlebnis.
Riding on the Great-Ocean-Road.
Was hätte ich damals gegeben, für ein richtig kräftiges Kurven-und Hügelmotorrad. Eine schöne handliche GS oder wenigstens eine Adventure.
Aber man kann eben nicht alles haben.
Für diesen Tag hatte sich der lange Flug schon fast gelohnt. Rein fahrerisch gesehen, natürlich. Dabei hatte ich solche Dinge wie fremde Kultur und weibliche Gruppenmitglieder noch gar nicht berücksichtigt.


Fortsetzung....
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Beitragvon RHEINPFEIL » 06.01.2009, 19:31

Und weiter gehts :D
+++++++++++++++++++++

...Auf derlei profane Dinge verschwendete ich während dieses einsamen Rennens gegen den, nur schwachen Widerstand leistenden Selbsterhaltungstrieb, keinen einzigen Gedanken.
Es war eben einer dieser Tage, die sich zumindest phasenweise in das Langzeitgedächtnis einbrennen.
Diese ’’Gates of Perception“, können auch ohne externe Drogeneinwirkung weit geöffnet werden. Die Reaktionen losgelöst von den Gedanken. Ein zeitloses Jetzt.
Wie soll man sonst diesen möglicherweise buddhistischen Zustand mit Worten beschreiben?

Warum reite ich überhaupt ständig auf diesem Thema herum?
Hauptsächlich wohl aus dem Grunde, weil ich wegen meines dafür ursächlich notwendigen Fahrstils ständig kritisiert werde. Es war hier auch wieder so.
Meine Mitfahrer sind da in der Regel wenig verständnisvoll. Suizidaler Fahrstil habe ich schon gehört. Das ist sicherlich übertrieben und kommt dann meist auch von den Richtigen. Von genau diesen Typen, hinter denen man nicht länger als 10 Minuten herfahren kann ohne ständig in Selbstzweifel zu verfallen.
Irgendwann kommt dann bei mir so etwas ähnliches wie eine Kamikaze-Lethargie auf. Nur vorbei … und weg.
Einfach nur weg, von diesen Autofahrern auf zwei Rädern.
Im Laufe der Zeit habe ich mir aber auch eine spezielle Technik angeeignet. Ich versuche immer so zu fahren, als ob ich mir selbst entgegen kommen würde. Also, ich gehe davon aus, dass mir jederzeit auf der Gegenfahrbahn ein Typ entgegen kommen könnte, der genau so fährt wie ich. Das hat mir, oder besser gesagt meinen nächsten Angehörigen, bis zum heutigen Tage die doch irgendwie peinliche Frage nach einem eventuell vorhandenen Organspenderausweis erspart.
Auf Glück alleine sollte man sich eben nicht verlassen.

Möglicherweise hatte es auch etwas Gutes, dass ich auf der Great-Ocean-Road doch eher untermotorisiert unterwegs war. Wenn man an einer Steigung vom Gas geht, verhungert die XT doch ziemlich schnell. Das verhindert in vielen Fällen gefährliche Überholmanöver. Schnelle Rechtskurven bei gegebenem Linksverkehr erfordern nämlich ein wenig Übung. Erschwerend kommt hinzu, dass mir Rechtskurven überhaupt nicht, oder eher weniger liegen.
Das soll aber bei Rechtshändern häufiger der Fall sein. Sagt man jedenfalls.
Mit der halben Leistung und nur einem, wenn auch hubraumgleichen Zylinder ausgestattet, muss man es ruhiger angehen lassen. Ob ich diese Zeilen noch schreiben könnte, wenn ich damals auf meinem aktuellen Mopped unterwegs gewesen wäre, halte ich eher für unwahrscheinlich.
Alles Karma eben … womit sich der buddhistische Kreis wieder schließt.

Trotz der maulenden Kollegen fuhr ich meinen Stiefel durch. Am nächsten festgelegten Treffpunkt meditierte ich dann meinen Adrenalinspiegel wieder runter. War ja genug Zeit, bis der Letzte endlich eintraf.
Der sah allerdings ziemlich mitgenommen aus. Unser guter Heinz pfiff deutlich erkennbar, auf dem allerletzten Loch.
Wir saßen dann beim Getränk in einem kleinen gemütlichen Imbiss mit Zapfsäule. Der Heinz starrte teilnahmslos in die Gegend. Aus seinem Mundwinkel lief unkontrolliert der letzte Schluck Kaffee und tropfte auf seine Jacke.
Wenn das kein Grund für lustige Bemerkungen war. Aber die kamen nicht.
Eva hatte mit klinischem Blick die Situation direkt erfasst. Den armen Heinz hatte wohl der Schlag getroffen.
Die Great-Ocean-Road hatte ihn geschafft. Das war wohl nach der ganzen Wüstenschleicherei ein Häppchen zu viel, für unseren alten Haudegen.
Sein rechter Arm und das Bein waren auch außer Betrieb. Er nuschelte nur unverständlich und stierte verwirrt umher.
Der Heinz braucht dringend eine große Inspektion. Und zwar zügig.
Knut, der kurze Zeit nach uns eintraf, mobilisierte dann das australische Gesundheitswesen. Die Jungs aus dem Ambulanzwagen verluden dann ihre neueste Beute und fuhren eilig davon.
Wieder eine XT übrig. Die Dinger halten wirklich erheblich mehr aus als ihre Fahrer.
So kann’s gehen. Eben noch lustig und guter Dinge und nur Minuten später ein Pflegefall. Teufel, Teufel.
Aber es gab noch Hoffnung. Mit ein bisschen Glück und rechtzeitig eingeleiteten Maßnahmen, kann er diesem Kameraden noch durchaus von der Schippe hüpfen.
Ist er dann auch, um die Sache ein wenig abzukürzen.
Sein Rückflug verzögerte sich dann allerdings noch um eine Woche.
Manchmal dauert eine ordentliche Instandsetzung eben.

Martin war ab sofort wieder auf zwei Rädern unterwegs und ich hatte einen Herausforderer. In Rechtskurven war er eindeutig besser als ich.
Aber nur da. Das reichte aber um einen spannenden Ablauf des restlichen Tages zu gewährleisten. Der Bursche war nicht abzuhängen. Immerhin war er sicherlich auch einen halben Zentner leichter. Und eine XT ist eben keine GS. Da hätte die Sache anders ausgesehen. Möglicherweise!
Wir einigten uns dann auf … Unentschieden. Immerhin!

Der ausgewählte Platz war einfach toll. Die nervige Nörgelei über meinen Fahrstil weniger. Anke und der Zahnarzt waren sich darüber einig, dass meine Lebensdauer begrenzt war.

Nun, das wusste ich vorher auch schon.
Die beiden gaben mir allerdings deutlich weniger Restlaufzeit, als ich mir bis dahin so vorgestellt hatte.
Ich durfte mir dann auch mehrfach anhören, worauf sich ihre Theorie begründete.
Wie immer. Die übelsten Blindschleichen wussten wieder wie es geht.
Wie ich das hasse. Fahrschulweisheiten gepaart mit Wohlwollen.
Da kann man nicht argumentieren … Leidenschaft hat eben nichts mit Theorie zu tun. Entweder man kennt und versteht es, oder nicht.
Ende der Diskussion.

Knut beteiligte sich nicht an diesen fruchtlosen Gesprächen. Er telefonierte hinter unserem letzten Totalausfall her. Und da er gerade schon mal dabei war, auch noch mit Jürgen, dessen Vorgänger im Amt.
Jürgen war nun nach seiner Operation, mehr oder weniger stolzer Besitzer eines Gipsbeines und begierig zu seiner Eva zurückzukehren. Das behauptete Knut jedenfalls.
Eva schien entzückt. Zumindest tat sie so. Anke ebenfalls. Aber bei ihr wirkte es irgendwie echter.
Ich sah die ganze Sache nüchtern. Die Dinge regeln sich manchmal von ganz alleine. Ich blickte unauffällig in Richtung Martin. Der lächelte mich entspannt an.
Vielleicht hätte ich ihn heute doch gewinnen lassen sollen. Man weiß ja nie.

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Beitragvon Carboner » 08.01.2009, 20:07

Schön ischs, die Geschichte!
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Beitragvon RHEINPFEIL » 09.01.2009, 08:28

und bald ist sie zu Ende :wink:
+++++++++++++++++++++


… Knut beschränkte die täglichen Wartungsarbeiten auf das Nötigste. Reifenluftdruck-und Ölkontrolle. Dazu ein wenig Kettenspray. Mehr war auch wirklich nicht nötig. Die pflegeleichten und robusten Yamahas liefen tadellos. Wie immer eigentlich.
Wenig Technik-wenig Ärger. Falls irgendjemand mal eine Weltreise auf einem Motorrad planen sollte, dann würde ich dieses Modell empfehlen.

Für den kleinen Fahrspaß zwischendurch bevorzuge ich allerdings auch eher anderes Gerät.
Ach ja, der kleine Spaß zwischendurch. Wobei wir wieder beim Thema wären. Eva hatte sich unauffällig genähert.
„Morgen kommt Jürgen wieder.. !“, verkündete sie mit unbewegter Miene.
Ich schwieg zunächst, weil mir spontan kein passender Kommentar in den Sinn kam.
„Tja..“, murmelte ich stattdessen. Manchmal interpretiert man derartige Kurzmitteilungen nach Stimmungslage. Eva hatte wohl irgendwie etwas Inhaltsschwereres erwartet. Was nun genau … man steckt halt nicht drin.
„Habe ich eigentlich deine Telefonnummer…?“Diese Standardphrase entschlüpfte mir irgendwie. Ihr, bis dahin eher erwartungsvoller Gesichtsausdruck, veränderte sich schlagartig.
„Nein. Aber du hast mir deine Nummer auch noch nicht gegeben!“
Parade-Reposte ... wie der Fechter sagt.
Der Heinz fehlte mir plötzlich. Der wäre garantiert in diesem Moment auf der Bildfläche erschienen und hätte mir einen Ausweg eröffnet. Wenn er denn mal da gewesen wäre, der alte Fuchs.
Nun also … Butter bei die Fische. Ich klopfte bemüht aber hilflos auf meinem T-Shirt herum. Eindeutig die erfolglose Suche nach einem Kugelschreiber.
Eva hielt mir mit unbewegtem Gesicht ein Schreibwerkzeug unter die Nase. Ich griff nach dem Ding wie ein Schimpanse nach der Banane.
Kein Papier. So ein Pech!
Anke hatte einen Zettel dabei. Irgendwie und völlig unbemerkt hatte sie sich angeschlichen.

Prima … gute Idee. Vielleicht kann man ja mal gemeinsam etwas unternehmen. Nun, im Prinzip kein schlechter Gedanke. Ich bezweifele allerdings, dass sie dabei an dieselben Aktivitäten dachte wie ich.
Anke notierte Evas Telefonnummer akribisch auf ihrem Zettel und steckte ihn dann in ihre Gesäßtasche.
Wenn das mal kein eindeutiger Hinweis war.

Plötzlich erklang ein hämisches, fast hysterisches Gelächter.
Ein Kookaburra. Der lachende Hans.
Keinen Moment zu spät. Vielleicht gibt es tatsächlich Seelenwanderung. Der Heinz hatte so was bestimmt drauf. Dem traue ich solche Tricks zu.
Die Mädels waren jedenfalls schlagartig abgelenkt. Nun, ich will mich hier nicht in irgendwelchen ornithologischen Feinheiten ergehen, aber dieser Vogel ist schon ein interessanter Vertreter. Anke hatte sich vorher in irgendeinem Reiseführer schlaugemacht.
Ich erfuhr dann alles Mögliche über diese Viecher. Was Anke scheinbar besonders gut gefallen hatte, war die erschreckende Tatsache, dass diese Vögel monogam sind.
Die führen eine lebenslange Einehe.
Ich vermutete daraufhin, dass wohl ein weibliches Exemplar für die Ruhestörung verantwortlich gewesen sein musste. Die männlichen Hänse hätten dann doch wohl weniger Grund zum Lachen.
Dieser Scherz wurde lediglich zur Kenntnis genommen.
Egal, die Hänsin oder ihr bedauernswerter Ehevogel hatten die Situation gerettet.
Hoffentlich wird der arme Heinz wieder völlig hergestellt.

Der Abend nahm dann noch einen eher melancholischen Verlauf. Nach dem Essen hockte der kümmerliche Rest der Truppe unter einem ausladenden Baum. Jürgen fehlte, Heinz fehlte und auch der Olli blieb verschwunden. Jeff hinkte, sein genähter Zeh schien immer noch Probleme zu machen.
Ordentliche Verluste. Aber ein bisschen Schwund ….
Evas, immer noch irgendwie fragende Blicke, konterte ich mit gespielter Ratlosigkeit. An den Baum gelehnt und mit Dosenbier bewaffnet, starrte ich gelegentlich traurig in den Himmel. Für die Rolle des tragischen Helden muss ich wohl doch noch ein wenig üben. Aber für den Anfang war ich gar nicht schlecht.
Anke jedenfalls kaufte mir die Nummer ab. Wahrscheinlich hielt sie das für nachdenkliches Mitgefühl. Wegen des armen Heinz’ … oder so.
Was Eva anging, bin ich mir nicht sicher. Aber wer versteht schon die Frauen?

Knut plagten ganz andere Sorgen. Wir erfuhren zu unserer allgemeinen Verwunderung, dass WWBTT in Zukunft keine Australientouren mehr anbieten würde. Dieses Jahr noch und dann wäre Schluss.
Ab dem nächsten Jahr würden ausschließlich Nord-und Südamerikatrips auf dem Programm stehen. Organisatorische und wirtschaftliche Gründe würden dies erfordern. Auch nicht schlecht. Von Alaska bis Feuerland. Panamerikana und so.
Knut schwärmte uns ordentlich die Ohren voll.
Marketing … eben. Wer einmal mitfährt, der kommt auch wieder. Manchmal wenigstens. Die Rückfallquote betrug bisher mehr als 50 Prozent.
Ich zumindest war nicht abgeneigt. Amerika ist auch nicht schlecht. Mal sehen, ob in den nächsten Jahren irgendwas geht.
Aber wo ein Wille ist … ist auch ein Gebüsch. Meistens …!
Eva schien ebenfalls Interesse an Amerika zu haben. Auch Anke war wohl interessiert. Dann waren wir ja wohl schon wieder zu dritt.
Ich werde mir die ganze Sache wohl noch einmal gründlich überlegen müssen.
An den Baum gelehnt starrte ich in den leicht bewölkten Sternenhimmel.
Es geht nicht mit … aber es geht auch nicht ohne …
Im Hintergrund lachte ein Kookaburra laut und hysterisch.
Wahrscheinlich ein Weibchen!



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Beitragvon RHEINPFEIL » 12.01.2009, 09:29

Einen schönen Wochenstart :D
######################

… Die Nacht war ruhig. Und wenn ich ruhig sage, dann meine ich auch ruhig. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte es ruhig …
Aber es geht eben nicht immer so, wie man es gerne hätte.
Anke zickte ein wenig. Da Kerzen und Rotwein nicht greifbar waren und mir auch sonst spontan nichts wirklich Romantisches einfiel, musste ich mich in den Schlaf weinen. Weinen ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber …trotzdem. Man hat ja auch Gefühle.
Normalerweise bin ich in solchen Situationen eher trotzig. Wer nicht will … der soll es eben lassen. Damit kann man mich nicht erschrecken.
Wäre ja noch schöner.
Aber hier machte ich mir wirklich ernsthaft Gedanken. Sollte vielleicht..?
Selbst wenn. Das ist doch nur ein Urlaubsabenteuer. Oder etwa nicht?

Mehrfach wachte ich in dieser Nacht auf. Am Dosenbier konnte es nicht gelegen haben. Da war ich diesmal sehr zurückhaltend gewesen.
Bevor diese blöden Kookaburras wieder mit ihrem nervigen Gelächter loslegten, also vor Sonnenaufgang, war ich bereits auf dem Platz unterwegs. Getrieben von einer inneren Unruhe.
Völlig untypisch machte ich mich daran, das Frühstück vorzubereiten.
Das war eine Regel hier. Der Erste kocht Wasser. Bisher war ich noch nie der Erste. Was das Wasser kochen anbelangt, natürlich.
Während ich also die Fressalien auf dem noch feuchten Klapptisch verteilte, lachten die ersten Vögel blöde vor sich hin.
Eigenartige Situation … so als einsamer Küchengehilfe auch noch ausgelacht zu werden. Als unbefriedigter, einsamer Küchengehilfe, um genau zu sein. Eher unglücklich als unbefriedigt, um noch genauer zu sein. Was soll’s … irgendwann erwischt es eben jeden.

Knut erschien als Erster. Schweigend schlürften wir gemeinsam heißen Kaffee-Extrakt aus diesen abgenutzten bunten Plastiktassen.
Nach und nach krochen die Anderen aus ihren Zelten. Die Kookaburras kreischten laut und fast unerträglich ihren Ehefrust in die frische Morgenluft.
Aber wenigstens gemeinsam. Monogame Viecher. Aber irgendwas wird sich die Evolution schon dabei gedacht haben. Vielleicht gibt es doch irgendwelche Vorteile … bei dieser Einehe.
Ach ja, die Natur!
Als Anke dann endlich erschien, ergriff mich sofort eine merkwürdige Unruhe.
Gut sah sie aus. Obwohl noch ein wenig zerknittert … sah sie einfach gut aus. Viel besser als die anderen Frauen. Als die meisten anderen Frauen, die mir bisher so begegnet waren.
So langsam dämmerte mir, dass ich mich wohl ernsthaft … oder zumindest ziemlich ernsthaft …
So kann es gehen. Dabei hatte ich wirklich nie die Absicht mich hier irgendwie in irgendwelche komplizierten Beziehungskisten zu stürzen.
Wirklich nicht!

Genug jetzt. Das wäre ja noch schöner. Wenn man sich einen wirklich tollen Tag mit solchen gefühlsdusseligen Schwachheiten versauen sollte.
Ich doch nicht! Nicht hier und nicht jetzt.
Mopped fahren war angesagt. Alles andere ist Nebensache.
Es gab die Möglichkeit sich einen Naturpark anzusehen.
Pflanzen, Tiere, Sensationen. Oder als Alternative … ein wenig die Great-Ocean-Road zu befahren. Knut überließ uns die Entscheidung. Jeder, wie er will. Er selbst würde Heinz besuchen und dabei direkt den Jürgen einsammeln. Treffpunkt ist dann wieder dieser Platz. Irgendwann am Abend. Die Mehrheit entschied sich für den Naturpark.
Ich wollte zurück auf die Straße.
Westernhagen finde ich gut. Rein emotional …!
Wieso komme ich jetzt auf Westernhagen?

Mit einem eigenartigen, ein wenig flauen Gefühl im Magen, bestieg ich dann die Yamaha. Dieser verdammte Instantkaffee! Bisher hatte ich den eigentlich ganz gut vertragen. Aber vielleicht war es auch gar nicht der Kaffee.


Fortsetzung folgt
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Beitragvon RHEINPFEIL » 13.01.2009, 08:51

Weiter gehts :D
++++++++++++++++++++

...Außer mir hatten sich erstaunlicherweise nur Dieter, unser rasender Zahnarzt und Wolfgang, der sächselnde Motocrossexperte, gegen den Besuch des Naturparks entschieden.
Dieter hatte wohl Blut geleckt. Obwohl ständig bemüht, die australische Straßenverkehrsordung penibel einzuhalten, hatte ihn wohl endgültig der Motorradvirus infiziert. Dieter war bereit.
Bereit zum Kampf gegen die Kurven und sonstigen Tücken der Great-Ocean-Road. Der Rest der Gruppe zeigte sich ähnlich überrascht wie ich und wünschte ihm viel Glück. Dieter wirkte sehr entschlossen und zu allem bereit. Das war ein Kerl. Aus solchem Holz sind eben nur echte Harleyfahrer geschnitzt.
Wolfgang war schon auf und davon. Ein echter Ossi eben.
Gemeinsam mit Dieter machte ich mich dann auch auf die Reifen.
Vorausschauend blinkend und in korrekter Fahrschulhaltung stürmte Dieter los. Eine kurze Zeit tuckerte ich gemächlich hinter dem Easy Rider her. Da die wenigen Pkws die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht wesentlich unterschritten, sah Dieter auch keinerlei Veranlassung irgendwelche Überholmanöver einzuleiten.
Ich klappte dann irgendwann das Visier herunter und fuhr los. Gelegentlich wurde ich von dem ein oder anderen japanischen Vierzylinder überholt. Auf den Geraden war jeglicher Widerstand sinnlos. Bis dann die nächsten Kurven kamen waren die dann schon außer Sichtweite. Einzylinder-Schicksal, eben. Da kann man mit 45 PS aus 600 Kubik keinen Blumentopf gewinnen. Das Gesetz der Straße.

Während ich so, mit immer noch leicht grummelndem Bauch vor mich hin knatterte, tauchte plötzlich eine Kirmesbude rechts neben mir auf.
Ein riesiges Plastikgebirge mit zahllosen Lämpchen und einem regelrechten Antennenwald dekoriert. Chromverziert und perlmuttweiß lackiert. Eine Goldwing!
Der Pilot trug unter seinem Halbschalenhelm eine verspiegelte Pilotenbrille und die Sozia drehte sich mit einer Kamera vor dem Auge zu mir hin.
Ich kam mir vor wie Lance Armstrong bei der Tour de France. Ob die nun mich oder die deutlich schönere Landschaft aufnehmen wollten, ist mir bis heute nicht klar geworden. Ich machte jedenfalls ein passendes Gesicht und hoffte auf eine Haarnadelkurve.
Die Kamerafrau schien dann genügend Filmmaterial belichtet zu haben und klopfte ihrem Chauffeur routiniert auf die Schulter. Die Goldwing machte plötzlich ein Geräusch wie ein Autostaubsauger in einer Waschanlage und zog davon. Gleichmäßig und mit beeindruckendem Durchzug. Nach kurzem Zögern schaltete ich einen Gang zurück und holte alle Pferde aus dem Stall. Die XT klopfte und rappelte nur hektischer und lauter, aber die Distanz zur davongleitenden Goldwing vergrößerte sich weiter.
Das Gebirge vor mir, neigte sich plötzlich von einer Seite zur anderen und flutschte fast elegant durch die folgenden ansteigenden Wechselkurven. Es sah aus, als ob ein Wahnsinniger mit einem Möbelwagen den berüchtigten Elchtest durchexerzieren würde.
Wahlweise konnte man auch den Eindruck gewinnen, dass hier irgendwelche Naturgesetze außer Kraft gesetzt würden.
Mit gleichmäßig schwingenden Antennen zog die Goldwing uneinholbar davon. Es war ähnlich beeindruckend wie auf einem Flughafen, wenn sich dort ein riesiger Jumbojet in die Lüfte erhebt und trotz seiner gewaltigen Masse, scheinbar schwerelos im Himmel verschwindet.
Klopfend, polternd und völlig chancenlos keuchte die XT hinterher.
Von irgendwelchen Sportjapanern abgeledert zu werden, ist noch kein Grund um in Selbstzweifel zu verfallen. Aber von einer Studentenbude auf zwei Rädern? 2 Zimmer-Küche-Diele-Bad … Selbstzweifel schienen hier absolut angebracht zu sein.
Wenn ich wieder in Deutschland bin, werde ich beim nächsten Honda-Händler mal eine Probefahrt machen. Das kann doch wohl nicht wahr sein!

Für völlig Ungläubige (Fiveace hat diesen Link damals gefunden) damals im "Bikerhotel" http://de.youtube.com/watch?v=kFleFrJx7nw

Ernüchtert setzte ich meinen Weg fort. Irgendwie fehlte mir allerdings ab diesem Zeitpunkt dieser Kurvenstolz. Dieses leicht triumphierende Gefühl, das gelegentlich hochkommt, wenn man wieder einmal annähernd perfekt eine schwierige Kurve besiegt hat.
Aber ich war auch nicht richtig in Form, an diesem Tag. Der letzte Biss fehlte irgendwie.
Mehr Jan Ulrich als Lance Armstrong. Hoffentlich hat die Goldwing-Sozia diesen kleinen Unterschied nicht bemerkt.
Am ersten verabredeten Treffpunkt wartete Wolfgang schon. Noch nicht lange, aber immerhin. Wir bestellten uns ein ordentliches Frühstück und warteten auf Dieter.

Wir waren beim dritten Kaffee als er dann eintraf. Als er den Raum betrat registrierte ich zum ersten Mal bewusst sein eigenwilliges Outfit.
Einen weißen Helm. So ein aerodynamisch geformtes Rennteil. Dazu ein schwarzer Textilanzug mit aufgenähten Reflektorstreifen. Als Krönung dann die monströsen Endurostiefel.
Während er dann so da stand, versuchte ich mich in die Situation des Verkäufers bei Hein Gerippe oder Prolo oder wo immer er sich derartig ausstaffiert hatte zu versetzten.
Der überaus begabte Verkäufer, muss den Laden sofort abgeschlossen und sich vor Lachen auf dem Boden gewälzt haben. Nur Sekunden nachdem der Dieter mit seiner Beute den Schuppen verlassen hat.
Safety first. Schon klar. Aber trotzdem!
Nicht etwa, dass Dieter keine perfekten Rennstiefel dabei gehabt hätte. Aber die hat er dann konsequent wieder gegen seine Moto-Cross-Stiefel getauscht. Am selben Tag noch, an dem sich sein Kumpel Jürgen den Fuß gebrochen hat.
Dieter hatte wirklich alles dabei, alles was man für Geld kaufen konnte.
Aber man kann eben nicht alles kaufen.
Wolfgang hingegen hatte alles was man nicht kaufen kann.
Was mich angeht. Die Negation der Gegensätze.
Ich hatte keine Kohle und keine Ahnung.

Irgendwann fuhren wir dann weiter. Gemeinsam machte das keinen Sinn. Jeder für sich, und die Straße für uns alle. Unheimliche Begegnungen blieben dann aber aus. Keine Goldwing mehr und auch sonst keine deprimierenden Ereignisse. Wir hatten ausreichend viel Zeit um die landschaftlichen Feinheiten zur Kenntnis zu nehmen.
Wir waren nicht die ersten auf dem Platz. Martina, Jeff und Eva waren bereits zurück. Martina und Jeff wegen Jeffs kaputtem Zeh. Eva weil sie wohl die Ankunft von Jürgen nicht verpassen wollte.
Als sie mich erblickte zerrte sie mich hektisch zur Seite.
Sie legte ihre Hand auf meinen Arm und sah mich irgendwie ernsthaft und gleichzeitig traurig an. So traurig und ernsthaft wie ein Sparkassenangestellter, kurz bevor er einem langjährigen Kunden die Kreditkarte zerschneidet.
Ihr Vortrag war kurz und bündig. Scheinbar gut überlegt, verkündete sie mir knallhart das definitive Ende unserer kurzen Beziehung.
Irgendwie muss ich wohl ein betroffenes Gesicht gemacht haben. Eigentlich war ich nur überrascht aber keinesfalls betroffen. Ganz im Gegenteil. Ich hatte mir auch schon eine Rede zurechtgelegt, inhaltlich aber deutlich unklarer. Frauen sind da erheblich rücksichtloser.
Ich bekam noch einen entschuldigenden Kuss auf die Wange und einen traurigen aber äußerst entschlossenen Abschiedsblick.
Na denn!
Ein Problem weniger.

...Das andere Problem aber blieb bestehen. Das Problem die Richtige zu finden. Oder der Umgang mit der Richtigen, wenn man denn glaubt, sie gefunden zu haben. Selbst wenn man glaubt, auch dieses Problem gelöst zu haben ...?
Den Rest schenke ich mir. Unzählige Branchen haben in dieser Problemzone ihren Markt gefunden. Das wird schon seinen Grund haben.

Während ich so über die scheinbare Unvereinbarkeit der Natur mit der real existierenden Wirklichkeit sinnierte, trafen dann auch die anderen Naturfreunde ein. Fröhlich und ausgelassen schienen Anke und Martin bisher unerkannte Gemeinsamkeiten entdeckt zu haben.
Da ich offenbar in meiner momentanen Stimmung kein wirklicher Quell der Freude zu sein schien, ignorierten sie mich einfach.

Eigentlich neige ich nicht zu depressiven Verhaltensweisen. Gelegentlich ein wenig introvertiert, zugegeben. Aber mehr auch nicht.
Von einer Goldwing deklassiert, von einer einsamen Strohwitwe im Regen stehen gelassen und nun auch noch von meiner sicher geglaubten Eroberung ignoriert.
Es gibt solche Tage. Heute war wohl so einer.
Um mich ein wenig aufzubauen, suchte ich das Gespräch mit Dieter. Es gibt immer einen, der noch blöder aus der Wäsche schaut.
Aber Dieter hatte auch nicht die Absicht sich als Aufbaugegner missbrauchen zu lassen. Der war ungewöhnlich gut drauf. Der heutige Tag hatte ihm wohl mehrere Schlüsselerlebnisse verschafft. Mit einem Motorrad kann man Autos überholen. Oder … während der Fahrt kann man sich mit der linken Hand an der Nase kratzen, ohne gleich zu verunfallen.
Schlüsselerlebnisse dieses Kalibers etwa.
Geduldig lauschte ich seinen Heldentaten. Da wird die Road-King in Zukunft wohl mal öfter bis an die Drehzahlgrenze gequält werden.
Von Dieter, dem tollkühnen Harleytreiber.
Eigentlich war er gar nicht so übel.
Er konnte eben nichts dafür.

Ziemlich spät traf dann auch endlich der Toyota mit Jürgen und Knut ein.
Den Jürgen zierten außer einem gewaltigen Gehgips auch noch prächtige Hörner. Aber das konnte er ja nicht wissen. Das wussten nur Eva und ich. Und natürlich Martin.
Unser Martin, der Bursche war in einer hervorragenden Ausgangsposition.
Kurz vor der Zielgeraden wurde es noch einmal richtig eng.

Es war spät, ich war nicht gut drauf und übermorgen geht der Flieger. Das war das Fazit des heutigen Abends.
Knut hatte noch eine Flasche Johnny Walker. Wahrscheinlich aus den Beständen des abwesenden Olli. Nun denn, wenn der Tag geht … und sonst keiner kommt. Und schon wieder kam mir Westernhagen in den Sinn.
Es gibt eben solche Tage.





Fortsetzung folgt (nur noch.....)
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Beitragvon RHEINPFEIL » 19.01.2009, 09:50

Letzter Teil :cry:
++++++++++++++++++++++++

…Als Johnny Walker dann wieder ging, kam der Kopfschmerz. Nicht irgendwie besonders heftig, aber lästig und nervend. Dieser übliche, am Tag danach Kopfschmerz, den sicherlich jeder schon erleben durfte.
Der Tag danach, beginnt bekannterweise immer mit dem Morgen danach.
Dieser Platz im Zelt war leer. Der Platz im Zelt, an dem sich üblicherweise Anke befand war leer. Irgendwie wirkte dieser Platz unbenutzt.
Völlig unfähig irgendwelche komplexen Rätsel zu lösen, kroch ich ins Freie. Heller Tag empfing mich. Sonst niemand.

Es war wohl mittlerweile schon Brunchzeit. Das traditionelle Frühstücksbuffet war bereits abgeräumt. Eigentlich mehr ein klassisches Pauschaltouristenproblem.
Also machte ich mich auf die Suche nach dem Spätaufsteherbuffet.
Mir dämmerte langsam, dass wir heute deutlich später losfahren würden. Das war so besprochen worden. Langsam, sehr langsam, näherte ich mich der Frühstückskiste.
Mein Kopf saß unbeweglich und wie festgeschraubt auf meinem Hals. Die Augen brannten und mein Gehör war überaus geräuschempfindlich.
Knut erkannte meine Behinderung und braute mir einen seiner berüchtigten Muntermacher. Damit hatte er früher auch immer den ständig verkaterten Olli reanimiert. Es muss nicht schmecken, es muss helfen.
Hölle, was für ein Gesöff!

Nachdem die abgestürzten Hirnareale sich neu gebootet hatten, nahmen sie auch direkt wieder ihre analytische Arbeit auf.
Wenn sie nicht an ihrem Platz war, wo war sie dann?
Fragen über Fragen.
Martin versuchte einen großen Bogen um mich zu machen. Trotz seiner eleganten Ausweichbewegung griff ich ihn mir. Nur um zu wissen wo der Hase lang lief. Rein aus Neugier.
Er sah mich erschrocken an. Wahrscheinlich beeindruckten ihn meine roten Augen. Ungefragt gab er sofort irgendwelche langatmigen Erklärungen ab.
Mein Schädel brummte immer noch.

Aus seinen Erklärungen konnte ich ein allseits bekanntes Phänomen extrahieren.
Das, was der alte Pastor auch immer verkündete. Dran ist nicht drin … aber auch … schon der Wille zählt.
Ich entschied mich für den ersten Teil. Das reicht.
Immerhin bin ich aus der Kirche ausgetreten.
Angesichts dieser schon fast vergessenen katholischen Grundausbildung entschied ich spontan, diesem meinem Mitbruder, keine aufs Maul zu geben.
Kann ja jeder einmal in Versuchung geraten. Und den ersten Stein werfen … irgendwie fühlte ich mich dazu auch nicht berufen.
Irgendwelche lateinischen Floskeln murmelnd, machte sich Martin aus dem Staub.
Ich habe vergessen welche Fächer er belegt hatte, der Student aus Bayern. Theologie war aber nicht dabei. Logisch, sonst hätte er sich wahrscheinlich eher um Dieter bemüht. Dieser Abstauber.

Rein rechnerisch war ich inzwischen wieder fahrtüchtig. So nach der alten Faustformel,-0,2 Promille pro Stunde, baut eine gesunde Leber ab. Den verbliebenen Rest wird der Fahrtwind schon wegpusten. Also auf, zum Endpunkt der Tour.
Dieser Endpunkt lag etwa zwei Autostunden von Melbourne entfernt.
Ein ehemaliges Farmgelände welches von WWBTT günstig gepachtet worden war.
Eine große Scheune und ein paar rustikale Nebengebäude. Alt aber sauber. Knut hatte eben eigene Maßstäbe, zumindest was Sauberkeit angeht.
Funktional … trifft die Sache eher. Wer es luxuriös braucht, der muss eben eine Kreuzfahrt machen. Recht hat er, der Knut.
Das war also das südliche Basislager. Hier konnten auch größere Reparaturen vorgenommen werden. Am rollenden Material. Die Behelfswerkstatt war komplett ausgestattet. Eine Grube für die Vierräder, Schweißgeräte … alles was der passionierte Mechaniker so braucht.
Das dazu gehörige Gelände war riesig. Für deutsche Verhältnisse jedenfalls. Hier wurde nicht in Hektar sondern in Quadratkilometern gerechnet. Völlig andere Maßstäbe hier unten.
Bis zum großen Abschiedsgrillabend war noch reichlich Zeit. Knut würde einen Hammel auf den Spieß stecken. Das war so Tradition hier.
Wir nutzten die verbleibende Zeit und schwärmten aus um die Gegend zu erkunden.
In kleinen Grüppchen und völlig planlos. Einfach spontan und neugierig.
Ich fuhr gemeinsam mit den beiden Schweizern in ein nahegelegenes Städtchen.
Nichts besonderes, eine Mischung aus englischer und amerikanischer Kleinstadt.
Gemütlich und langweilig. Aber wenn man schon mal hier ist.
Anke war nicht hier. Da ich sie an diesem Tag noch keines Blickes gewürdigt hatte, war sie mit Dieter und Wolfgang unterwegs. Martin war zurückgeblieben. Der hatte zu tun. Davon hatte ich mich vorher überzeugt. Man weiß ja nie!

Der Abend kam und der Hammel brutzelte an seinem Spieß. Die Stimmung war eher gedrückt als locker. Aber das ist wohl normal, kurz vor der Rückkehr ins winterliche, enge Deutschland. Anke schien noch deprimierter zu sein, als der Rest der Truppe.
Jürgen gab Anekdoten über seinen Krankenhausaufenthalt zum Besten und war damit der Entertainer des Abends.
Eva machte auf glückliche Gefährtin, und Jürgen fand das offensichtlich gut.
Anke machte einen traurigen und schuldbewussten Eindruck und das fand ich wiederum gut.
Da es am nächsten Morgen in aller Frühe losgehen sollte, verzog sich die Gruppe ziemlich schnell in ihre Zelte. Ich hatte demonstrativ wieder mein altes Singlezelt aufgestellt. Dies ist niemandem verborgen geblieben. Niemandem!

Die letzten die am Feuer zurückblieben waren …
Martin und ich.
Wir redeten drum herum. Ausdauernd und auf eine passende Gelegenheit wartend, um unsere jeweilige Botschaft anbringen zu können. Die Zeit verrann.
Ich wollte eigentlich nichts hören. Nichts, was irgendwie zur Relativierung der Situation beitragen konnte.
Das Ding war gegessen. Ende und aus.

Irgendwann erhob ich mich um auch im Zelt zu verschwinden. Irgendjemand schlich noch in der Gegend herum. Es war zu dunkel um erkennen zu können wer es war.
Martin unternahm noch einen letzten Anlauf. Ich hatte den Eindruck, als ob er im Auftrag des Herrn unterwegs war. Vielleicht nicht direkt des Herrn, aber sicherlich im Auftrag.
Freundlich aber desinteressiert blockte ich ihn ab und verschwand in meinem Singlezelt.
Irgendjemand tuschelte noch herum. Aber ich schlief dann auch schnell ein.
Schnell und allein. Mein vorbestimmtes Bikerschicksal.

Der Rest ist schnell erzählt. Knut und Martin fuhren uns dann am frühen Morgen zum Flughafen von Melbourne. Außer dem Landcruiser hatten sie noch einen alten Kombi mobilisiert. Die übliche Prozedur. Abschied von den Australiern. Einchecken und die Plätze suchen. Der Jumbo startete pünktlich. Erstes Zwischenziel war Bangkok.
Von dort aus würde es dann direkt nach Frankfurt gehen.
Neben mir hatte sich ein wirklicher fetter Chinese in den Sitz gequetscht. Es war eng, es war ungemütlich und die Stewardessen drohten auch direkt wieder mit Tomatensaft. Ich nahm das entfernt kaffeeähnliche Spülwasser und döste vor mich hin. Nerviges Gequassel weckte mich irgendwann wieder auf. Die Stewardess diskutierte mit meinem Sitznachbarn. Vielleicht hatte er sich über meinen Platzbedarf beschwert. Keine Ahnung!
Jedenfalls quälte sich der chinesische Kollege mit viel Stöhnen und Ächzen aus seinem Sitz und bekam einen neuen Platz am Gang zugewiesen.
Die Stewardess verschwand und kurz darauf hatte ich einen neuen Sitznachbarn. Deutlich schmaler und leichter. Ich öffnete die Augen und erblickte … na, war doch wohl klar…oder!

Keine Ahnung, was sie der Stewardess erzählt hatte. Hat aber funktioniert.
„Amerika ist bestimmt auch toll, oder?“ Anke zeigte auf einen Punkt auf der Flugroutenkarte aus der Sitztasche.
„Hab ich auch gerade drüber nachgedacht!“, erwiderte ich sanft. „Aber du zeigst gerade auf Nordafrika…!“
„ Klugscheißer…!“, fauchte sie und küsste mich.
Was soll man machen. Es geht nicht mit … aber es geht auch nicht ohne.


Ende
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Beitragvon Georg » 19.01.2009, 10:31

Wie jetzt.
Ist schon Schluss? :cry:
Georg
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