Paradies, Teil2
Ja, schön wars. Ich hatte mein irdisches Nirvana gefunden.

Die Abkehr von Äußerlichkeiten, vom Tand des scheinbar Schönen. Denn wer will allen Ernstes einen Boxer schön nennen. Besonders war er. Dick, schwer, machte komische Geräusche. Aber, selbst wenn einige daran zweifelten, es war ein Krad. Und mit diesem Kraftrad ging auch mit mir eine Veränderung durch. Auch ich wurde gesetzter, dicker. Weg vom ewigen Streben nach immer schneller, höher weiter. Meine Frau freute sich, meine Eltern, meine Füherschein.

So zumindest sah es aus. Das wirklich Schöne aber war, das man ganz anders fahren konnte. Nie mehr Messer zwischen den Zähnen. zumindest sah man es nicht mehr

. Kein Gebückter rechnete damit, dass dieser gerade überholte Augenquäler mit Koffer auf einmal am Hinterrad klebte und egal (na ja, meistens) wie heftig er am rechten Griff drehte, das Teil blieb dran – zumindest solange es nicht über längere Strecken geradeaus ging. Und wenn nicht, dann war es auch ok - für mich. Zumindest gab es Stoff für neue Heldensagen und noch heute bin ich mir sicher, dass diese Geschichten, die jeder Boxerfahrer zu Hauf erlebt hatte, noch in Generationen von Vätern auf ihre Söhne (und Töchter) weitergegeben werden.
Und dann die Ausfahrten! Früher, vor meiner Zeit als BMW Auserwählter, gab es wild zusammengewürfelte Gruppen, die sich regelmäßig schon beim ersten Halt heillos zerstritten, da für die einen die Schleicherei unerträglich war "typisch für dieses häßliche Inselgerödel", während die anderen diese hirnverbrannte Heizerei der "Joghurtbecher" ( ja, ich weiss, nicht originell, aber ich will halt authentisch wiedergeben) lautstark kritisierten. Touren über 200 Kilometern waren deshalb eher unüblich und endeten wenn, mit dem Verlust von Freundschaften.
Das war vorbei. Jetzt gab es Einladungen zu BMW „Ausfahrten“ ! Hey, wer macht Ausfahrten!!?? Das Wort hätte ich seinerzeit den Bereich von Kutschenfahrten gepackt, aber doch nicht Motorräder. Wahrscheinlich hätte ich Ignorant mich sogar darüber lustig gemacht.

Klar - jetzt machte ich jetzt mit. War total schön. Echt! Mit 60 – 70 BMW Fahrern nach Südtirol

. Im Konvoi! Und keiner mit einem geänderten Auspuff. Leichtes staubsaugerähnliches Gesäusel statt kreischender Vierzylinder. Klapphelmquote von über 60%. Belgischer Kreisel?? Ach was! Kontemplation pur! "Man" orientiert sich einfach am langsamsten.

Total schön. Immer mehr schön 20 km/h unter dem Erlaubten. Holländische Wohnwagen und sogar Traktoren werden zu einem unüberwindbaren Hindernis. "Man" bekommt unheimlich viel von der Landschaft mit, "man" ist überrascht, wie lange "man" dann doch für Strecken braucht und "man" ist froh, dass "man" unter einem Helm nicht erkannt wird, von außen stehenden, von Vespa Fahrern überhaupt…Alle 10 Minuten eine Beinahe Auffahrunfall, weil die Kontemplation die Augenlieder zum Zuklappen gebracht hat. Ach, war das schön! Allerdings habe ich seit dieser Zeit Probleme mit Bluthochduck, komisch.
Nein, war echt schön. Abends wurden dann tolle Geschichten erzählt, vom Versägen von Japanern, vom Abledern der Italiener und in der Gruppe war man einer der Jüngsten und irgendwann stellte ich fest, dass es selbst dort welche gab, die nicht nur verbal schnell waren. Einer, der abends eher still, aber tagsüber eher vorne war (wenn es mal erlaubt war), war ein gewisser Rainer, der sich heute gerne mal als Bruno ausgibt. Insgesamt waren das immer tolle Tage, keine Hektik, Reifen waren nie ein Thema, die hielten eh eine Saison, und nach 3 oder 4 Tagen kam man zurück, als hätte man die Exerzitien in Kloster Maria Laach besucht.
Aus Gründen, die ich nicht näher beschreiben kann, wahrscheinlich so eine Art innerer Dämon, der sich wieder an die Oberfläche kämpfte, tauschte ich meinen zuverlässig brummenden 70 - 71 PS Boxer gegen eine geringe Zuzahlung gegen einer Mörderhammerteil, einen Rennboxer. Ein Rückfall brutalster Art und Weise. 98 pure Power PS pei, sorry, bei gerade mal 240 kg Kampfgewicht (des Boxers), dazu eine extreeemst auf dem Vorderrad orientierte Sitzposition,… meinte zumindest ein Harelyfahrer, der auf dieser Granate Probe saß.
Schön war ja, dass ich weiter in der Familie der Guten bleiben konnte und trotzdem wieder Leistung hatte. Gut, die Leistung war nicht wie die meiner uralt Ninja, aber 98 gepflegte Boxer PS zählen locker doppelt im Vergleich zur Nipponleistung.
Doch es kam, wie es kommen musste. Da ich, wie alle BMW Fahrer ausgesprochen bildungsbeflissen bin, las ich Zeitung, genauer gesagt Zeitschrift, noch genauer Mo. Ein Rennstreckentraining für Boxer – Boxerlust – war ausgeschrieben. Schöner, extremst orgineller Name. Auf dem Salzburgring! Wo sonst, als auf dieser Highspeedstrecke. Klar, dass ich mich angemeldet hab. Ich musste dabei sein.
Die BMW hatte mich nun vollends zum Racer gemacht. Einen Tag im Kreise von Gleichgesinnten brannten wir eine Rekordrunde nach der anderen auf den österreichischen Asphalt. Keine anderen Spochtkräder anderer Marken liessen uns zweifeln, ob es noch etwas anderes relevantes als BMW geben könnte. Wir waren die Größten und von den Größten war ich ….nee nicht der Größte, aber nahezu der Schnellste, abgesehen von……Egal, ich war infiziert.
Der BMW Rennvirus hatte zugeschlagen. Ein wenig gab mir zu denken, dass bei einem weiteren Besuch des Nockerlrundkurs, der an diesem Tag für alle geöffnet war, diverse 600er fernöstlicher Herkunft an mir ….eher lässig….vorbeizogen. Dies waren meines Erachtens unverantwortliche Raser. Auch, dass ich mit dem Boxer – dem Rennboxer- etwas merkwürdig angeschaut, auch so angeredet wurde, erklärte ich mir mit heimlicher Bewunderung für Ross und Reiter.
Dennoch, tief in mir spürte ich es wieder, dieses unheimliche Etwas, dieser Wunsch, dieses „das kann doch nicht alles gewesen sein !“
Und da ich ein charakterschwacher Mensch bin….
Fortsetzung folgt, mehr in Teil 3
Zuletzt geändert von Unbekannt am 12.07.2009, 17:56, insgesamt 1-mal geändert.