Manchmal ist das so bei Träumen. Man träumt ein halbes Leben. Und dann ist es soweit, man lässt es zu – der Traum wird Wahrheit. Glück pur!
Jahrelang bin ich um die bollernden Ducatis geschlichen. Damals die 906, die 916, die traumhafte 996. Bei der 999 war ich skeptisch, aber bei der 1098 war ich wieder dabei.
Wieder geschlichen.
Dann hab ich mit dem Schleichen aufgehört. Ab einem gewissen Alter muss man handeln.
Ich habe gehandelt.
Die 1198 S war meine. Ich habe sie erlebt im Winter, als sie angeliefert wurde im Schneetreiben und als ich das erste Mal mit ihr fuhr, glitzerten die Straßen noch vor Salz und die Lämpchen der Traktionskontrolle leuchteten wie ein Jahrmarkt im Dunkeln.
Der Sound und der Druck haben mich begeistert. Glück pur!
Ich bin mit der Duc in Hockenheim gewesen und sie hat mir meine Grenzen aufgezeigt. Ja, ich war schnell, aber ich habe mich nur auf ihr geduldet gefühlt, immer die Befürchtung, dass dies nicht immer so sein muss. Dies Motorrad ist viel schneller als ich.
Im Bayrischen Wald kam ich mir vor, wie ein Familienvater mit zwei Kindern und Hund, der seine Familie mitsamt Gepäck in einer Ferrari F40 packen muss, um nach Rimini zum Strandurlaub fahren zu können. Die Duc ist unbepackbar – zumindest wenn ein Minimum an Ästhetik beibehalten möchte. Und wenn ein Nagelbett bequem ist, dann darf dieses Attribut auch für die Duc gelten. Andernfalls nicht.
Ich habe mit ihr Tagestouren gemacht und festgestellt, dass man mit ihr gut fahren kann – wenn man mindestens 140 km/h fährt. Darunter langweilt sich das Motorrad und der Fahrer büsst für diese unwürdige Fortbewegung mit einer auf Dauer….äh, recht unkommoden Fortbewegung. Also fährt man schnell.
Ihr erinnert Euch, dass ich neulich ca 800 Kilometer an einem heißen Tag, kreuz und quer durch die Alpen fuhr.
Als ich am Abend noch einmal in Gedanken völlig fertig – markante Punkte abfuhr, sah ich vor meinem geistigen Auge den Tacho, der Zahlen anzeigten, die da nicht hingehörten, erinnerte ich mich an die Rutscher, die mehr als nur ein kurzes Wegwischen waren.
Mir war klar, dass ich mit diesem Motorrad fast immer zu schnell unterwegs war. Und das zu schnell mache ich nicht an den Schildern am Rand fest.
Den Reifenhunger der roten Diva kann man getrost als gesund bezeichnen. Überhaupt sollte man sich bei so einem Gefährt nicht nach dem berühmten Pfennig, neudeutsch Cent umschauen müssen.
Die Duc hat mir Spaß gemacht, sie hat mir viel Freude bereitet, wenn ich sie morgens beim Öffnen der Garage gesehen hab, wenn ich das tiefe Bollern des V“ gehört hab, wenn der Druck des Testaretta Motors mir die unsichtbare Faust in den Rücken gestoßen hat.
Aber auf einmal hatte ich Angst. Etwas was ich so noch nie hatte auf Motorrädern.
Ich fühlte mich von einer Minute auf die andere unwohl. Nicht rational zu erklären.
Der Traum ist aus. Die Duc ist weg. Ich bin traurig, aber auch ein wenig erleichtert.
Ich wünsche dem neuen Besitzer die Freude, die ich hatte, aber auch die Besonnenheit und die Gelassenheit, die mir am Ende fehlte für dieses Motorrad.

Jo[/quote]