Herbrennen, was ein blödes Wort. Gab es damals noch nicht. Damals gab es auch keine 1198er Duc, eine BMW hatte maximal zwei Zylinder und abgesehen von der R90S, die gerade in orange auf den Markt gekommen war, war die Marke schlichtweg indiskutabel, zumindest bei uns jungen „Männern“. Wir kannten kein Herbrennen, wir haben versägt. Dies aber umso lieber.
Meine RD 250 schimmerte in einem komischen blau, am Tank abgesetzt mit schwarzen Rallyestreifen, als ich sie an diesem Samstag morgen aus der Garage schob. Ein herrlicher Frühsommertag. Abi hatte ich in der Tasche, Bundeswehr in weiter Ferne. Mein Gott, was kann das Leben schön sein. Abends bis in die Puppen mit den Jungs Altbiertrinken auf dem Alten Markt, morgens ….äh mittags…..usw.

Allerdings ein bisschen nervig das Genöhle zu Hause, dass man sich mal nützlich machen solle. Nützlich fand ich in solchen Situation die Yamaha, die mich schleunigst aus diesem Epizentrum der Nervereien entfernte.
Der Niederrhein als solcher ist nicht so das klassische Kurveneldorado, aber erstens störte das nicht so sehr, da Beschleunigungsrennen am Alten Markt auch was haben und zweitens war die Eifel auch nicht so weit weg.
Gartenarbeit war angesagt an diesem Samstag, Reinigen des Gartenteiches, also bedeutete dies für mich….. weg, ganz schnell weg, ganz weit weg!
Sicherheitsklamotten an – Römer 1000 und Knobelbecher. Ansonsten reichten Jeans und Co.
Protektoren? Kannte ich nicht. Leder? Bin ich ne Kuh? Jeans Jacke ist cooler.
Kurz hinter Aachen, Richtung Monschau wurde das Leben schön.
Gut – Computer gab es damals noch nicht, die digitale Gasstellung beherrschte ich aber schon.
Auf und zu. 250ccm und 38 PS klingen nicht nach viel. Tja…
Keine Ahnung, wer von Euch schon mal Zweitakt gefahren ist, aber es ist anders als unsere Geräte heute. Direkter, unberechenbarer, böser. Irgendwie fuhren die Teile, wie sie sich anhörten, aggressiv! Hinzu kam, dass ich seinerzeit noch nicht diese Ruhe und Beherrschtheit an den Tag gelegt habe, wie sie heute von mir bekannt ist. Wenn mich heute einer überholt….stehe ich an der Tankstelle.
Also wie gesagt, irgendwo auf dem Weg in die Tiefen der Eifel, Ende der 70iger, sonnige 20 Grad, in Jeans gehüllt fliege ich an diversen Capris, Escorts und 02er BMW vorbei und liebe das Leben.
Kurzum, der Verfasser dieser Zeilen hat sich locker eingewedelt, und wie zur Selbstbestätigung zieht man ein paar Striche auf den Asphalt, hie und da deutet das Knie sanft Richtung Teergemisch.
Das Leben ist ein Traum.
Dann sehe ich sie vor mir. Im Kurvengeschlängel kann ich ihre Silhouetten ausmachen.
Drei Gegner. Und welche! Das who is who der schnellen 70iger Kräder. Eine 750GT , Suzuki, eine Z1 von Kawa und eine Le Mans. Wow !!….Die Fahrer bemühen sich. Sie sind ganz in Leder gehüllt – mein Gott, was für ein peinliches Gedöns. Ganz in Leder, war damals nur was für Fußbälle, aber doch nicht für Motorradfahrer….
Aber sie bremsen zu früh, sind in den Ortschaften zu langsam. Mit kreischendem Zweitakter schließe ich auf. Die Jungs fühlen sich herausgefordert und werden schneller. Pah, ihr mit Euren Protzer Eimern! Die PS, die Ihr mehr habt, mach ich mit jugendlichem Enthusiasmus und der Drehzahlfreude meiner RD wett.
Die Suzuki schwächelt. Bremsen waren damals ein wenig anders. Man freute sich, wenn sie bremsten und je häufiger man bremste umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie beim nächsten Mal eben dies nicht mehr taten. Offensichtlich genau wie bei der Suzi. Ein plötzlich auftauchender Trecker mit blöde glotzender Kuh im Anhänger verunsichert den japanischen Wasserbüffel, nicht aber mich. Ohne vom Gas zu gehen quetsche ich mich zwischen dem begeisterten Landmann auf dem Deutz und einem entgegen kommenden holländischen Wohnwagengspann durch, die ihre Begeisterung für dieses fahrerische Husarenstück mit einem frenetischen Lichthupen und Hupkonzert begleiten.
Die heimatliche Nähe zum Nürburgring hat ganz offensichtlich direkten Einfluss auf meine rennfahrerischen Gene genommen. Noch im Überholvorgang schmeiße ich meine Berufswahl um. Ich werde meine Eltern heute Abend damit beglücken, dass ich doch nicht Archäologe werden will. Darüber werden sie sich sehr freuen. Ich werde Rennfahrer. Über die Reaktion bin ich mal gespannt.
Vor mir sehe und höre ich die Guzzi. Schaut ja cool aus das Teil. Hört sich auch so an. Diese Waldpassage kenne ich. Hier haben nur Fahrer mit einem großen Herz eine Chance. Böse zuziehende Kurven, Parkplätze für Rotsocken, die völlig unmotiviert nach einer Maarumrundung die Straße queren…hier sind nur Männer schnell. Ich sauge mich in den Windschatten der Guzzi. Mit spannendem Pendeln und Schaukeln geht es um die enge Kurve, ich jauchze unter meinem Römer 1000. Das leichte Versetzen des 110er Hinterreifens ist nicht ungewöhnlich, meine „Dessous“ sind eh in dunkel gehalten.
Als am Straßenrand ein alter Büssing eine knappe Hundertschaft von Rotsocken ausspuckt, sehe ich meine Chance. Ich lasse im 4.Gang die Gasstellung auf „offen“ und fliege unter dem Applaus der Rotsocken (erkennbar an den geschwungen Spazierstöcken) an der Guzzi, die einen Augenblick zögert, vorbei…….
Ich bin sooo gut! Wie alt ist dieser Agostini eigentlich? Zeit für ne Wachablösung!
Zur Kawa. Z1. Ein Hammerteil. Da muss ich wohl beißen. Aber Fahrer in braunem Leder haben definitiv irgendein Problem. Ich werde ihn studieren. Auf der Geraden…..bei 150 gibt der Typ noch mal Gas. Da geht nix. Kurven….Also schneller bin ich da auch nicht. Der nächste Ort, wo die Angsthasen vom Gas gehen, ist auch noch nicht in Sicht.
Bleibt doch nur die Kurve. Wir sind mittlerweile in der Ecke Steckenborn/Woffelsbach auf dem Weg zum Rursee.
Bergab Kurven, mal schnell, mal mittelschnell, mal langsam. Klasse. Aber die Kawa ist schnell. Vor uns taucht eine Gruppe von BMWs auf. Brutal langsam, die Kawa überholt einen Boxer aussen und ich die Kawa aussener…..ich bin schräg wie Sau. Der BMW Fahrer schaut blöd rüber, der Kawa Fahrer schaut verduzt rüber, ich verhandel gerade im Geiste meinen Werksvertrag bei Yamaha, schiebe mich vorbei als……ja, als ein grässliches kratzende Geräusch mir klar macht, dass irgendetwas falsch läuft. Total falsch.
„Spinner“, „blöder Halbstarker“, „bist du total durchgeknallt“, „du hälst dich wohl für Ago“…die verablen Beifallsbekundungen der ehemals Hergebrannten, Versägten, sind verbesserungswürdig. „Ihr Looser !!!“….denke ich
Meine Jeansjacke ist im Arsch. Die Jeans auch. Meine Hand blutet. Die Yamaha ist nur ein wenig verkratzt. Fährt noch. Ich fühle mich müde und alt wie ein 20ig jähriger.
Abends diskutiere ich mit meinen Eltern über die Berufsperspektiven von Archäologen.
Zuletzt geändert von Unbekannt am 26.11.2009, 15:06, insgesamt 1-mal geändert.