Organspende

Alles was nirgends reinpasst!

Organspende

Beitragvon Maze » 30.08.2010, 13:44

nachdem Walter Steinmeier ja nun medienwirksam seine Niere seiner Gattin gespendet hat, blüht das Thema "Organspende"
in Deutschland wieder auf. Nun soll man sich nicht mehr zur Organspende bekennen, nein, man soll sich dagegen schriftlich weigern
sofern man nicht spenden will.

Wie seht ihr das ? Ich möchte keine Organe spenden. Hab das irgendwie das Gefühl, falls ich mal einen Unfall habe und irgend ein
stinkreicher könnte mal eben gerade paar meiner Organe brauchen, man mich über die Wupper gehen lässt ..........

außerdem :

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Re: Organspende

Beitragvon harry 1150 » 30.08.2010, 13:54

Da denke ich genau so wie du Maze. So viel ich weiß , ist bei den Ösis es so. Wenn man nicht schriftlich gegen Organspende ist , ist man automatisch Organspender!
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Re: Organspende

Beitragvon fidel » 30.08.2010, 13:55

Also ich bin Organspender. Und zwar schon länger als ich Moped fahre. :lol:

Da ich nicht gläubig bin und im Falle meines Ablebens eine Einäscherung präferiere, empfände ich meinen Leichnam tote Biomasse. Wenn ich noch jemanden mit einem Organ das Leben retten/verbessern kann, würde mich das glücklich machen. Ich finde es schon genial, dass man durch das Verpflanzen der Netzhaut jemanden wieder das Augenlicht schenken kann.

Angst, im Falle eines Unfall "vorzeitiger" abzuleben habe ich nicht, da die Organentnahme in D sehr restriktiv behandelt wird und kein Arzt vorher das Licht ausmacht, wenn der Tod nicht zweifelsfrei bewiesen wurde.

Tobi

P.S.: Über eine Lebendspende habe ich noch nicht nachgedacht, aber eine Niere oder Rückenmark (Leukämierelevant) würde ich bereitwillig spenden.
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Re: Organspende

Beitragvon Rainmän » 30.08.2010, 14:00

@ maze...
Bin genau deiner Meinung!
Ich behalte mein Innenleben auch lieber selber. Ausgenommen ich wäre in der Lage von Steinmeier.
Gruß Rainmän

Wer Tippfehler findet, darf sie behalten !!!!
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Re: Organspende

Beitragvon Kilometerfresser » 30.08.2010, 14:08

Hallo Maze,

interesantes Thema! Tja, also, ich habe seit ca. 10 Jahren einen Spenderausweis dabei! Ich hatte, genau wie Du jetzt, auch immer Zweifel, ob es denn sein kann, dass Organe entnommen werden, obwohl es vielleicht noch eine "Hoffnung" auf Besserung gibt!

Ich habe dann einen Dokumentarfilm über eine Spende gesehen, in der der Empfänger, ohne neue Organe einfach gestorben wäre, ein noch sehr junges Mädchen. Ich bin eigentlich nich so schnell zu beeindrucken, aber dieser Film hat mir einfach klar gemacht, dass ich, wenn es denn so sein soll, helfen kann.

Ich denke nicht, dass es so einfach möglich ist, zwei voneinander unabhängige Ärzte so zu manipulieren, dass eine Spende ausgeführt wird, die sonst nicht in Betracht kommt!

Ich denke auch, dass sich jeder Ernsthaft mit dem Thema befassen sollte, weil noch viel zu viele andere Menschen sterben, denen wir helfen könnten. Ich glaube nicht, dass ich meine Organe in Walhalla brauche :oops:


Beste Grüße

Jörg
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Re: Organspende

Beitragvon Vessi » 30.08.2010, 14:39

sollte ich da mal liegen, mit'nem dicken gehirncrash...da können die gerne im zweifelsfall den stecker ziehen
und sich bedienen, auf jedenfall besser, als den rest des lebens ein 100%er pflegefall zu bleiben,
besser für mich, besser für die angehörigen....
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Re: Organspende

Beitragvon Maze » 30.08.2010, 14:44

Vessi hat geschrieben:sollte ich da mal liegen, mit'nem dicken gehirncrash...da können die gerne im zweifelsfall den stecker ziehen
und sich bedienen, auf jedenfall besser, als den rest des lebens ein 100%er pflegefall zu bleiben,
besser für mich, besser für die angehörigen....


mit einer Organspende bist davor nicht gefeit ......... wenn doch, dann ist die Organspende mehr als nur in Frage zu stellen
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Re: Organspende

Beitragvon Guido » 30.08.2010, 14:45

Maze, dann hast Du sicherlich auch eine schriftliche Erklärung dabei, dass Du selbst im Notfall unter keinen Umständen ein Spenderorgan erhalten möchtest :?:
Schließt das dann – nur mal so weitergedacht – auch eine Bluttransfusion mit ein :?: Schwieriges Thema ...

Gruß vom Guido
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Re: Organspende

Beitragvon Maze » 30.08.2010, 15:04

Guido hat geschrieben:Maze, dann hast Du sicherlich auch eine schriftliche Erklärung dabei, dass Du selbst im Notfall unter keinen Umständen ein Spenderorgan erhalten möchtest :?:
Schließt das dann – nur mal so weitergedacht – auch eine Bluttransfusion mit ein :?: Schwieriges Thema ...
Gruß vom Guido


nein, eine solche Erklärung hab' ich nicht. Ich wüsste jetzt auch kein Unfall oder Notfall, bei dem ich ein Organ zum Überleben haben müsste.

Dazu muß ich noch sagen, wäre ich z.B. am Herz erkrankt, wollte ich auch kein Spenderherz. Dann ist das halt mein Schicksal und
ich würde nicht damit hadern. Das selbe gilt für andere Organe auch.

Bluttransfusion ist, denke ich, ein anderes Thema. Bei einer Blut-Erstversorgung könnte ich ja wohl kaum dagegen sprechen.
Bei weiteren Transfusionen würde ich nach Alternativen fragen und die auch wollen.

Soweit ich weiß, wird einem Organspender auch nicht gleich alles rausgeschnitten. Der Ehepartner bzw. Kinder oder wer auch immer
am nächsten ist, wird hier ja sicherlich gefragt. Ich will und kann mir aber nicht vorstellen, dass meine Frau dann mit einer Checkliste
dastehen muß um an meinem bei künstlichem Leben erhaltenen Körper Ersatzteile freizugeben.

frei nach dem Motto, ja, die Augen können sie haben, er drehte sich eh immer nach Blondinen um.
Das Herz? nun, er war ja schon immer herzlos. Die Leber ? nun, wenn sie denn einen Trollinger mögen.
Die Hand ? nehmen sie aber nur die linke Hand, mit der rechten Hand popelte er stets in der Nase.
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Re: Organspende

Beitragvon Kilometerfresser » 30.08.2010, 15:11

Hallo Maze,

GENAU DAS, kannst Du deiner Frau mit einem Ausweis ersparen! Denn wenn Du einen Ausweis hast, kommen sie nämlich nicht zu deiner Frau, sondern nehmen, nach entprechender Prüfung deiner Organe das, was sie brauchen. Ohne Ausweis, werden sie deine Frau Fragen, soviel ist sicher....

Gruß

Jörg
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Re: Organspende

Beitragvon BigBoy » 30.08.2010, 15:13

Vessi hat geschrieben:sollte ich da mal liegen, mit'nem dicken gehirncrash...da können die gerne im zweifelsfall den stecker ziehen
und sich bedienen, auf jedenfall besser, als den rest des lebens ein 100%er pflegefall zu bleiben,
besser für mich, besser für die angehörigen....


Absolut dafür :!:

Ich selbst trage schon seit vielen Jahren den Ausweis mit mir herum, und sage schon lange das es Zeit wird das die Geschichte umgedreht wird.

Wer nicht will (ist ja schließlich sein gutes Recht), der soll schriftlich wiedersprechen. Ich denke das der Mangel an Spenderorganen so sehr schnell besser wird, denn wie oft höre ich die Ausrede: Ich würde ja gerne aber das ist ja SO schrecklich kompliziert :!:

Da würde dann Faulheit endlich mal was Gutes bewirken.


Jochen


PS: Eigentlich muss es dann aber auch heißen: Wer wiederspricht bekommt auch nix
Wer bremst verliert – aber Verlierer leben länger ;-)
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Re: Organspende

Beitragvon Baerchen59 » 30.08.2010, 15:40

Es ist leicht gesagt das man keine Spenderorgane haben will,solang man sie nicht braucht.
Ich möchte nicht wissen was dem einen oder anderen durch den Kopf gehen wird in dem moment,wo es heißt:Beide Nieren platt,neue gibt es für sie nicht.
Wenn bei meinem ableben durch meine Organe jemand gesund,oder sagen wir mal besser leben kann,hat selbst der Tod noch einen Sinn.
fahre nie schneller als dein Schutzengel fliegen kann
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Re: Organspende

Beitragvon Maze » 30.08.2010, 15:46

Kilometerfresser hat geschrieben:GENAU DAS, kannst Du deiner Frau mit einem Ausweis ersparen! Denn wenn Du einen Ausweis hast, kommen sie nämlich nicht zu deiner Frau, sondern nehmen, nach entprechender Prüfung deiner Organe das, was sie brauchen. Ohne Ausweis, werden sie deine Frau Fragen, soviel ist sicher....
Gruß
Jörg



Neben der Angabe "ja ich bin bereit nach dem Tod meine Organe zu spenden", kann man auf dem Ausweis auch ankreuzen,
"nein ich möchte nach meinem Tod keine Organe spenden."
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Re: Organspende

Beitragvon T.J. » 30.08.2010, 16:00

Vessi hat geschrieben:sollte ich da mal liegen, mit'nem dicken gehirncrash...da können die gerne im zweifelsfall den stecker ziehen
und sich bedienen, auf jedenfall besser, als den rest des lebens ein 100%er pflegefall zu bleiben,
besser für mich, besser für die angehörigen....


Ich habe auch nen Organspenderausweis - bei mir dürfen sie gerne alles haben, sofern ich tot bin bzw. dem Tode nahe.

Aber mit "Stecker ziehen" ist das nicht so leicht, es sei denn, man hat ne Patientenverfügung verfasst und ausdrücklich darauf bestanden, dass bei bestimmten Umständen keine lebensverlängernden Maßnahmen gewährt werden. Das möchte ich noch gerne bald möglichst machen, da im Falle des Falles nicht meine nächsten Angehörigen eine eventuelles Dahinsiechen begleiten müssen.
T.J.
 

Re: Organspende

Beitragvon Maze » 30.08.2010, 16:04

hab das im Netz gefunden. ok, ist viel Text ........ vielleicht sollten "Befürworter der Organspende" auch mal mit dem Ehepartner darüber sprechen

Organtransplantation aus der Sicht einer Betroffenen

Meine Damen, meine Herren, ich bin Mitglied der Initiative: "Kritische Aufklärung über Organspende", einer Initiative, gegründet von Eltern, die ihre Kinder zur Organspende freigegeben haben. Völlig unaufgeklärt haben wir uns, ohne die Tragweite unserer Entscheidung übersehen zu können, von Medizinern in eine Situation hineinführen lassen, in der es nicht mehr um ein friedvolles und behütetes Sterben unserer Kinder ging, sondern um das Überleben Dritter. Als uns klar wurde, wozu wir ja gesagt hatten, hielten wir es für notwendig, andere Eltern über das aufzuklären, was wir nicht gewusst hatten. Wir möchten ihnen mitteilen, welche Probleme uns daraus erwuchsen und was eine Organspende tatsächlich alles beinhaltet. Es ist ein sehr intimer und schmerzlicher Bereich unseres Lebens, zu dem man eigentlich Fremden keinen Zugang gewähren möchte, aber wenn wir betroffenen Eltern nicht darüber reden, diskutieren die Mediziner die Organspende weiter nur aus dem Blickwinkel der Machbarkeit und der Möglichkeiten.
Organspende rettet Leben, Organspende ist ein Akt der christlichen Nächstenliebe, die über den Tod hinausgeht, so werben Transplantationsmediziner und Organempfänger, und so werben viele gedankenlos mit, weil keiner mehr sterben will. Und doch ist die Vorausetzung für die Transplantationsmedizin das Sterben eines Menschen, der in den Minuten, Stunden oder Tagen seines Sterbens, wenn die Lebenskraft für ihn selber nicht mehr ausreicht, noch genügend Leben für andere in sich hat. Ungenannt und unbekannt, verschwindet er nach der Entnahme seiner Organe im Dunkel. Keiner, der die Organspende befürwortet, denkt daran, dass ein Mensch sterbend noch einmal auf den Operationstisch geschnallt wurde, damit er Spender von lebenden Organen sein konnte. Der Transplantationsmediziner aber steht im gleißenden Rampenlicht. "Leben um jeden Preis" steht unsichtbar auf dem Banner, das Arzt und Transplantierter in den Farben der Nächstenliebe vor sich hertragen. Die Angst vor der eigenen Sterblichkeit macht blind, und so lassen wir uns von dem Wunsch nach Unsterblichkeit in ungeheuerliche Begierden und Begehrlichkeiten führen. In der Forderung "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst und Gott über alles" hat die Nächstenliebe Stabilität. Wie in der Transplantationsmedizin nur einseitig gebraucht, führt sie Organspender und Angehörige in eine Einbahnstraße, die in einem Alp träum endet. Heben wir nicht auch das letzte Gebot auf: "Du sollst nicht begehren, was Deines Nächsten ist"? C. G. Jung behauptet, trennt man den Menschen von seiner Kultur und Tradition, muss er an den Anfang seiner Menschwerdung zurück. Genau diesen Weg gehen wir! Wir befinden uns durch die Transplantationsmedizin im modernen Kannibalismus. Der Mensch reißt seinem Gegenüber nicht mehr selber das Herz aus der Brust und verspeist es zur eigenen Kraftgewinnung, nein, in der heutigen Zeit legt sich der Mensch auf einen Operationstisch, schließt die Augen und lässt einverleiben.

Wozu hatten wir "Ja" gesagt?

Ohne es zunächst begründen zu können, erfasste mich ein tiefes Misstrauen gegen die Transplantationsmedizin. Organspende als Akt der christlichen Nächstenliebe war ein Trugbild, eine Einbahnstraße. Wir waren bereit gewesen, ein Organ zu spenden, jetzt erfuhr ich, dass die Mediziner meinem Sohn Herz, Leber, Nieren und Augen entnommen hatten, man hatte ihm sogar die Beckenkammknochen aus dem Körper gesägt. Zerlegt in Einzelteile war er dann über Europa verteilt worden. Er war zum Recyclinggut geworden.Wie ein Schlag traf mich die Erkenntnis, dass ich trotz des Entsetzens - trotz des wachsenden Empfindens, dass man mich in eine Richtung manipuliert hatte, die ich gar nicht wollte - kein Argument gegen die Organspende setzen konnte. Meine gefühlsmäßige Abneigung und mein wachsendes Misstrauen, dass Organtransplantation etwas anderes beinhaltet, als man uns glauben machen wollte, würde mich nicht davor schützen, in einer zukünftigen Situation erneut "Ja" zu sagen statt "Nein". Immer wieder prallten meine Erfahrungen und Gefühle, die ich als Mutter von Christian erlebt hatte, auf die Hoffnungen und Wünsche von Müttern kranker Kinder. Ich musste mehr über die Transplantationsmedizin erfahren, um entweder meine Entscheidung doch bejahen zu können oder Argumente für ein "Nein" zu finden.

Auf der Suche nach Informationen

In den folgenden Jahren sammelte ich jede Information zur Transplantationsmedizin. Auf der Suche nach Antworten versuchten besonders die Transplantationsmediziner der Medizinischen Hochschule Hannover meine Zweifel und kritischen Fragen damit abzuwehren, dass sie mich für "zu betroffen" erklärten, um klar denken zu können.
Um mich mundtot zu machen, wurde mir mit gerichtlichen Schritten gedroht. Man schickte mir Unterlassungsklagen zu, in denen ich mich verpflichten sollte, für jede öffentliche Stellungnahme zur Organspende meines Sohnes 1000 DM an das Deutsche Rote Kreuz zu zahlen. Ohne meine Familie, die sich davon nicht einschüchtern ließ, die mir half, persönliche Trauer und berechtigte Kritik voneinander zu trennen, hätte ich den Kampf um Aufklärung und Verstehen aufgegeben. Ein Artikel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung hatte eine Lawine von Kontakten zu den Medien, aber auch zu Angehörigen von Organspendern zur Folge. Ich war gar kein Einzelfall, wie mir eingeredet werden sollte. Alle diese Angehörigen waren, wie ich, unaufgeklärt oder falsch informiert in die Organentnahme manipuliert worden.
Frau N. erzählte, wie sie immer wieder bedrängt wurde, die Organe ihrer Tochter möglichst schnell zur Organspende freizugeben, damit sie ihre Qualität behielten. Falls sie sich weigere, blieben die Geräte, an die ihre Tochter angeschlossen war, angestellt. Ein unerträglicher Gedanke für sie. Natürlich sagte ihr kein Arzt, dass bei irreversiblem Hirntod der endgültige Tod auch bei Angeschlossensein an Geräte nicht verhindert werden kann. Er tritt nach Stunden bis Tagen unaufhaltsam ein. Auf diese Weise zu sterben, empfinden viele Mediziner als humaner, denn beim abrupten Abstellen der Beatmungsgeräte erstickt der Patient. Frau N. willigte schließlich in eine Organspende ein, um ihre Tochter von den Maschinen zu befreien. Frau N. hat sich als Buße auferlegt, später selber einmal Organe zu spenden, um wenigstens das gleiche Schicksal zu erleiden, das sie ihrer Tochter zugemutet hat. Inzwischen leidet sie an Multipler Sklerose, wahrscheinlich ausgelöst durch den Tod ihrer Tochter, haben ihr die Ärzte erklärt.
Frau H. wurde, als die Mediziner ihren irreversiblen Hirntod vermuteten, in einen Krankenwagen verfrachtet, von Großburgwedel in die MHH (Medizinische Hochschule Hannover) gefahren, um dort die Hirntodfeststellung durchzuführen, ohne dass ihr Mann begriffen hatte, dass man ihr anschließend die Organe entnehmen wollte. Als er die Zustimmung verweigerte, wurde die Frau in das erste Krankenhaus zurückverlegt und weiter künstlich ernährt und medikamentös behandelt. Er empfand es als Schikane, dass die Mediziner sich weigerten, die Geräte auszustellen. Durch zähen Kampf erreichte er schließlich nur, dass man die lebenserhaltenden Medikamente wegließ.
Frau M. berichtete von ihrer Bitte an die Mediziner um ein aufklärendes Gespräch nach der Organspende. Ohne ein Attest über ihre "geistige Zurechnungsfähigkeit" wollte man aber nicht mit ihr sprechen. Frau M. hat daraufhin nie wieder den Mut zu einem Gespräch gehabt. Sie ist daran krank geworden und seitdem immer wieder in psychologischer Behandlung. '
Viele Eltern haben mir geschrieben, sich nach Vorträgen an mich gewandt, etliche wollten auch mir gegenüber anonym bleiben, weil sie sich so sehr schämten. Die Kraft sich zu wehren, hatten die wenigsten.
Nur ein Vater hat seinen Sohn im Wissen, dass dieser kein "menschenwürdiges" Leben mehr führen könne, zur Organentnahme freigegeben. Er verstand Organspende als sinnvolle Sterbehilfe.
Alle Angehörigen der Organspender sind davon ausgegangen, dass ihre Kinder so tot waren, wie man sich Tot-Sein vorstellt. Alle erinnerten sich daran, dass ihre Kinder aber gerade nicht kalt, starr, leblos und ohne Atem waren. Im Gegenteil: sie waren warm, einige schwitzten, sie wurden wie Patienten versorgt und behandelt.
Im Nachhinein breiten sich Angst und Entsetzen aus. Das Schuldgefühl, zu früh aufgegeben zu haben, überwältigt, denn was verlassen wurde, war ein Lebender und kein Toter. Niemand kann die Angehörigen aus diesem Alptraum herausführen, weil keiner leugnen kann, dass sie tatsächlich warme, lebende Körper zurückgelassen haben. An dieser erlebten und im Sinne des Wortes wirklich "begriffenen" Tatsache geht die Definition des Hirntodes vorbei. Am erdrückendsten werden die Augenblicke empfunden, in denen die Eltern über die vielleicht noch vorhandenen Empfindungen ihrer Kinder bei der Organentnahme nachdenken. Die Mütter erzählen von nächtlichen Alpträumen, in denen ihre Kinder schreien und ihnen vorwerfen, sie verlassen zu haben. Und das genau haben wir getan.
Sterbebegleiter waren nicht wir, sondern die Transplantationsteams, die nacheinander anreisten, um sich ihrer Organe zu bemächtigen. Fixiert auf dem Operationstisch, anästhesiert wie jeder Patient, der operiert wird, reagieren einige Spender mit Blutdruckanstieg, wenn der erste Hautschnitt gesetzt wird. Bei normalen Patienten ist das ein Zeichen für Schmerz.
Haben unsere Kinder etwas empfunden, als man sie vom Kinn bis zum Schambein aufschnitt, ihre Körperhälften wie eine Wanne auseinander spreizte, um sie mit eiskalter Perfusionslösung zu füllen? Haben sie empfunden, wie sie nach der Qualität ihrer Organe beurteilt wurden?
Was haben wir zugelassen, was fügte man ihnen zu,
als sie noch zwischen Leben und Tod schwebten,
mit welchem Trauma wurden sie in den Tod geschickt?
Es ist nicht zum Aushalten!
Wir finden keinen Weg aus der Schuld.
Wir kennen und verstehen nur einen Tod und merken plötzlich, der Mediziner muss einen ganz anderen Tod meinen. Die schrittweise Suche nach diesem "neuen Tod" wird begleitet von der entsetzlichen Erkenntnis, dass dieser Tod vor dem anderen, dem von uns vorausgesetzten, dem bekannten Tod liegt. Alles Wissen, alle Informationen, die wir in dieser Frage sammelten, bestätigen und erhärten den Verdacht, dass unsere Kinder nicht tot waren, sondern erst im Sterben lagen.
In den Krankenakten von Christian befinden sich drei verschiedene Todeszeitpunkte. Das "Abschalten" der Geräte, das den Tod von Menschen zur Folge hat, die nur durch Technik am Leben gehalten bzw. am Sterben gehindert wurden, war noch vor 1968, zu einem Zeitpunkt, der im Rahmen unseres Lebensalters liegt, strafbar. In der Bundesrepublik war diese Diskussion mit der Erinnerung an die Euthanasie belastet, die Ermordung "unwerten" Lebens im Dritten Reich. Die Möglichkeit des Abschaltens der Geräte war darüber hinaus auch dadurch fragwürdig, weil Manipulationen, Beeinflussungen, Entscheidungen zum Schaden des Patienten und zum Nutzen z.B. der Erben befürchtet werden mussten. Ob heute ausreichend berücksichtigt wird, dass durch die Organtransplantation die Möglichkeit gegeben ist, sich in Besitz von Überleben im ursprünglichsten Sinn zu setzen, scheint mir fraglich. Eine völlig neue Art von Delikten ist möglich: sich Leben, Weiterleben zu rauben. In der Dritten Welt eine Realität. Hat die Transplantationsmedizin daran gedacht, welche menschlichen Eigenschaften entfesselt werden können, wenn der Lebenstrieb eines Menschen angesprochen wird?
Am 3. Dezember 1967 fand in Kapstadt die erste Herztransplantation statt. Dr. Christian Barnard nahm dem nicht mehr zu rettenden Clive Haupt das noch schlagende Herz aus der Brust, um es dem todkranken Zahnarzt Dr. Blaiberg einzupflanzen. Die Welt jubelte, begriff aber nicht, dass ein nicht mehr zu rettender Patient natürlich noch kein Verstorbener ist. Weltweit fieberten Chirurgen danach, nun auch lebende Organe zu transplantieren.
Um nicht des Totschlags angeklagt zu werden, wurden 1968 im Harvard Medical Report die irreversibel comatösen Patienten für "hirntot" erklärt und man bezeichnete ihren Zustand als "Tod der Person" oder "Tod des Individuums". Diese Umdefinierung des irreversiblen Comas schuf zuerst in Amerika die notwendige Legitimation, solche Menschen als Herzspender zu benutzen. Tod der Person oder Tod des Individuums heißt, dass das Persönliche, das Individuelle eines Menschen, das, was ihn von anderen unterscheidet, nicht mehr besteht. Die selbständigen Steuerungsmöglichkeiten des Organismus sind irreversibel geschädigt. Irreversibel hirntote Patienten sind Menschen, die nicht mehr zu retten sind. Man legitimierte die Umdefinierung auch damit, dass sie Angehörige und Pflegepersonal arbeitsmäßig wie psychisch enorm belasteten, hohe Kosten verursachten und Betten belegten. Irreversibel Hirntote müssen wie andere Intensivpatienten genährt, gewaschen und gepflegt werden, werden täglich mehrmals umgelagert, um sogenannte Druckgeschwüre zu vermeiden. Kontinuierliche Mundpflege, Hautpflege und Medikamentengabe sind notwendig. Ihr Herz schlägt, und sie atmen mit technischer Unterstützung durch Beatmungsgeräte. Sie sind warm, der Stoffwechsel funktioniert. Hirntote Frauen können Kinder gebären, hirntote Männer können Erektionen haben. Hirnströme und Hormonproduktion der Hypophyse sind möglich. Sie reagieren auf äußere Reize, bei 3 von 4 Hirntoten sind Bewegungen der Arme und Beine möglich. Hirntote können sich aufrichten und gurgelnde Laute ausstoßen. Nicht neue medizinische Erkenntnisse machten aus sterbenden Menschen "Teiltote", sondern neue technische Möglichkeiten schufen neue Bedürfnisse und daraus resultierende Ansprüche.
Der Mensch wird seither in seiner schwächsten und schützenswertesten Situation, seinem Sterben, umdefiniert zu einem wehrlosen, aber in einer bisher nie da gewesenen Weise ausbeutbaren Objekt. Sein bisher in einer zivilisierten Welt als selbstverständlich anerkanntes Recht auf sein eigenes, ungestörtes und individuelles Sterben wurde umdefiniert in eine Pflicht zur Organspende. Der Mensch wurde per Definition aufgeteilt in totes Hirn mit lebenden Organen.

Kritische Aspekte der Transplantationsmedizin

Die Transplantationsmedizin vollzieht einen Eingriff in die Natur, der beim heutigen Wissensstand um deren Fragilität fragwürdig scheint. Auf der einen Seite beklagen wir Aidspatienten, deren Immunsystem nicht mehr funktioniert, auf der anderen Seite wird das Immunsystem der Transplantierten gegen Null gefahren, um die natürlichen Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Die Individualität jedes Menschen reicht bis in seine letzte Körperzelle und bleibt auch in einem trans-plantierten Organ vorhanden. Mit hohen Cortisongaben werden das fremde Organ und der Empfängerkörper gedopt, um die Natur zu betrügen. Die Folgen bleiben nicht aus. Die ständigen Cortisongaben schädigen auch die anderen Organe. Das transplantierte Organ bleibt, trotz Cortison, einer schleichenden Abstoßung unterworfen. Pilze, Viren und Bakterien, die in einem gesunden Körper von den körpereigenen Abwehrkräften bekämpft werden, können sich ungestört vermehren. Manch Transplantierter stirbt qualvoll an Infektionen, gegen die sich sein Körper nicht wehren darf, um das transplantierte Organ nicht abzustoßen. Der Tod ist um einen hohen Preis für die Transplantierten hinausgeschoben, die Währung ist auch hier Unmenschlichkeit. Spender wie Empfänger müssen darauf verzichten, einen der wichtigsten Grundprozesse ihres Menschseins zu durchleben, ihr eigenes Sterben. Der Transplantierte muss sich so auf sein Leben konzentrieren, dass er sich aufsein Sterben nicht mehr einrichten kann und übergangslos dem Tod gegenübersteht. Kassierer/Gewinner ist der Transplantationsme-diziner, der seinem Traum, den Tod zu besiegen, einen wesentlichen Schritt näher gekommen ist.
Wie kommt es, dass wir so schwer begreifen, was sich hinter der Transplantationsmedizin verbirgt? Wie kommt es, dass wir uns auf Werbeveranstaltungen dazu überreden lassen, Organspendeausweise auszufüllen? Geht es doch um unseren eigenen Tod. Die Menschen, für die wir als Spender geworben werden, liegen bereits in den Krankenhäusern und ihr Überleben hängt davon ab, dass wir möglichst bald unser Leben beenden, um mit unseren gesunden Organen ihr Sterben aufzuhalten.
Die Antwort ist: Die Gesellschaft wird mit ihrer Angst vor dem Sterben so manipuliert, dass wir uns alle nur in der Rolle der Organempfänger sehen, aber nicht als Lieferant. Die Akzeptanz der Organspende beruht darauf, dass keiner mehr sterben will. Jeder hofft, auf Kosten eines anderen zu überleben
Wir steuern auf die recyclebare Gesellschaft zu. Wir müssen endlich eigene Maßstäbe entwickeln und begründen, wenn wir nicht eines Tages in einer Welt leben wollen, in der Menschen zu Ersatzteillagern werden und die Medizin eine Reparaturwerkstatt ist. Was wir Organspendern zumuten dürfen, die wir brutal in ihrem Sterbeprozess anhalten und ausweiden, darüber muss ein Meinungsbildungsprozess in Gang kommen und letztlich die Gesellschaft entscheiden. Die Organspende ist ein Problem, dem wir uns alle stellen müssen, zu dem wir eine Einstellung finden müssen auf Grund von Wissen. Dann kann sich daraus auch unser Gewissen bilden.
Von den Transplantationsmedizinern als Segen gefeiert, zwingt uns die Organübertragung eine andere Sicht vom Menschen auf. Der Mensch ist nicht mehr in seiner Ganzheit und Individualität gefragt, sondern als Recyclingobjekt, als Lieferant von Ware, die er zu Leb- oder Sterbenszeit abgibt. Das Verpflanzen von Organen fordert die Transplantationsmediziner zu nie dagewesenenen Entscheidungen heraus. In den Anfängen der Transplantationsmedizin waren die Organspender Sonderfälle der Intensivmedizin. Damals war noch ganz klar, wer Spender und wer Empfänger von Organen ist. Heute ist es durch die Weiterentwicklung der Intensivmedizin einerseits, die Verbesserung der Transplantationsmedizin andererseits und die damit verbundene Organknappheit, möglich und nötig geworden, zu fragen, wer soll Empfänger und wer soll Opfer sein. Es findet eine doppelte Güterabwägung statt. Was ist lebenswert und welches Leben ist noch lebenswerter? Gisela Wuttke spricht in diesem Zusammenhang vom Legomenschen, austauschbar und umbaufähig. Leben, das eigentlich verschwenderisch vorhanden ist, gerät in einen Recyclingkreislauf. Es macht sich eine Verwertungsmentalität breit, aus zwei mach eins - aber es reicht trotzdem nicht.
In der 3. Welt ist Organhandel ein Tagesgeschäft. Kinder werden zum Zwecke der Organentnahme gezeugt und umgebracht. Menschen werden von der Straße weggefangen und als Organspender gegen ihren Willen oder ohne ihr Wissen missbraucht. Leichen, denen Organe fehlen, werden auf Müllhalden gefunden. Seit Jahren können wir so etwas in der Zeitung lesen. Wir vermeiden es, einen Zusammenhang zu unserem zivilisierten Europa zu sehen. Doch der Bedarf hier bei uns schafft überhaupt erst die Notwendigkeit, Menschen, wo auch immer auf der Welt sie leben, Organe zu entnehmen. Immer sind an der Explantation hoch ausgebildete Mediziner beteiligt, und es bedarf eines gewaltigen technischen Apparates, um sie durchzuführen. Organe werden nicht im Hinterhof entnommen.
Die Grundangst des Menschen vor jeder Veränderung, besonders dem Tod, wächst mit der Möglichkeit, dem Sterben ausweichen zu können. So, wie im Märchen der Arzt nur schnell das Bett umdrehen muss, kann heute die Organtransplantation die letzte Möglichkeit sein, dem Tod von der Schippe zu hüpfen. Der Anspruch der Gesellschaft, der an meiner Haut endete, reicht jetzt bis in die tiefsten Winkel meines Körpers. Als Träger einer Menge verwertbarer Organe werde ich zum begehrten Objekt. Meine Organe finden reißenden Absatz. Über Organverteilerstellen werden sie wie Ware angeboten und in Europa verteilt. Entnommen und in Kühlboxen verpackt, werden sie per Hubschrauber oder Jet in Transplantationszentren geflogen und verwertet. Der Mensch verkommt zum Sonderangebot, tiefgefroren bis zur Verwertung. Wollen wir das wirklich oder sollten wir nicht endlich Einhalt gebieten?
Waren unterliegen den Regeln des Angebotes und der Nachfrage. Besonders begehrte Objekte, wie Organe, sind knapp. Die Transplantationsmedizin muss sich ständig nach neuen Quellen umsehen. Sie befindet sich in der bitteren Situation, dass Träger von Organen zwar im Überfluss vorhanden sind, sie aber nicht so frei darüber verfügen kann, wie sie möchte und müsste, um den Bedarf zu befriedigen. Die Transplantationsmediziner und Organempfänger unterstellen der Gesellschaft eine allgemeine Akzeptanz der Organspende und fordern den Zugriff auf jeden Hirntoten. Die Ressourcen wären enorm. Nach Bedarf könnte man in den "Pool" greifen und das passende Organ herausfischen. Es wäre sogar denkbar, dass wir uns auf diese Weise braune, statt blaue Augen beschaffen könnten. Die Transplantationsmediziner wären in der für sie wünschenswerten Situation, dass an den Intensivpatienten nicht mehr die Frage zu stellen ist, wen dürfen wir als Spender benutzen, sondern nur noch: wen können wir nicht gebrauchen.
Es sind 15 Jahre seit dem Tod meines Sohnes vergangen. Ich habe eine lange Zeit gebraucht, um einen eigenen Standpunkt zur Transplantationsmedizin zu entwickeln. Ich weiß, dass ich weder Organspender sein werde, noch fremde Organe annehmen möchte.
Als Christ werde ich in einer Beziehung zu Gott geboren, lebe und beende mein Leben in der Beziehung zu Gott. Das gilt für den Gesunden wie für den Kranken. Das gilt aber nicht in der vertikalen Bezie-hung, in den Verantwortlichkeiten und Verbindlichkeiten von Mensch
zu Mensch. Der Kranke ist in der Beziehung zu Gott sicher aufgehoben, wenn er es denn zulässt. Akzeptiert er die Verbindung zur Transplantationsmedizin, wird eine Lebensgier entfacht, die zur Bedrohung für andere werden kann, und der eigene Tod wird damit aus den Augen verloren.
Mir wurde deutlich, dass nicht Überleben unser Ziel ist, sondern das Aufgreifen von Lebensmöglichkeiten, die sich auf dem Bogen von der Geburt bis zum Tod bieten. Das Leid um Sterben und Tod meines Sohnes hat mir bewusst gemacht, wie viel Erfahrungsmöglichkeiten die Mediziner uns genommen haben, wie viele Türen uns die hochtechnisierte Medizin geschlossen hat. Sterben findet dahinter statt und ist so unbekannt geworden, dass die Angst vor diesem Grundprozess des Menschseins ins Unerträgliche rückt und wir mithelfen, diese Türen zuzuhalten.
Auch ich habe mich so verhalten. Den Tod meines Vaters, der nach einem Autounfall starb, hatte ich verdrängt und auch den Tod von anderen Angehörigen und Freunden. Durch den Tod meines Sohnes rückten sie alle wieder in mein Bewusstsein. Es war ein langwieriger Prozess, zu begreifen, dass Sterben etwas Alltägliches ist, dass der Tod die Krönung des Lebens ist.
Sterben, ein Grundprozess des Lebens, findet nicht mehr in der Familie statt und ist daher für uns nicht mehr erlebbar. Wir begleiten Sterbende nicht mehr auf der letzten Strecke ihres Lebens. Wir lassen uns jede Chance entgehen, dieses Fremde mitzuerleben. Wir haben das Sterben an Krankenhäuser oder andere Institutionen abgegeben. Das Altern findet in speziellen Häusern statt. Tote werden an Bestattungsinstitute weitergeleitet. Nichts mehr haben wir von den Ausklängen des Lebens in Händen behalten. Wie sollen wir da Sterben und Tod begreifen? Wie können wir reif werden zum Tod, wenn wir uns zunehmend diesem Erleben verschließen? Wir lassen den Tod zum Feind des Lebens werden, dem man aus dem Wege gehen muss, dem man ein Schnippchen schlagen muss. Der Tod als Freund am Ende eines erfüllten Lebens ist uns verloren gegangen. Die Angst vor dem Sterben, ist ins Irrationale abgeglitten.
Meine Tante brauchte für ihr bewusstes Sterben 24 Stunden. Meine Schwiegermutter brauchte viele Monate, um endlich den Tod zu akzeptieren. Sie lebte ihre letzten 6 Jahre in meiner Familie. Für mich ist die Begleitung der letzten Strecke eines Lebens zum Schlüsselerlebnis geworden. Der Sterbeprozess führt einen Menschen, wie eine Schleuse ein Schiff, auf ein anderes Niveau, wo es gefahrlos in höherem oder tieferem Wasser abgesetzt wird. Das Schleusen mag lang oder kurz dauern, nie stürzt ein Schiff übergangslos ab. Wie ein Schiff eine Schleuse, so braucht der Mensch sein Sterben, um gefahrlos und angstfrei in neue Gewässer gelangen zu können. Mir ist deutlich geworden, welch zutiefst menschlicher Prozess das Sterben ist. Die Angst vor dem Leben, vor neuen Erfahrungen, verdammt uns zur Bewegungslosigkeit.
Das sind die schmerzlichen Erfahrungen, die uns Stillstand und Tod mitten im Leben bringen.
Im Laufe der Jahre bin ich oft gefragt worden, warum ich nicht endlich aufhöre, nachzuforschen, warum ich nicht endlich den Medizinern und mir Ruhe gebe. Ich habe oft genug Lust dazu gehabt, alles hinzuwerfen, denn sich mit der Transplantationsmedizin auseinander zu setzen, bedeutet ein Eintauchen in einen gefährlichen Strudel von Macht, Größenwahn und Lebensgier. Ich habe oft Angst gehabt, wenn ich vor einer Gruppe von Menschen gestanden habe und meine Informationen weitergegeben habe. Die Androhung, mir etwas zu Leide zu tun, habe ich sehr ernst genommen. Sie hat mich in einen Konflikt gestürzt: Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen, inwieweit bin ich mitbeteiligt und unterstütze die Transplantationsmedizin, wenn ich ihr nicht mit meinem Wissen entgegentrete?
Die Transplantierten haben mir vorgeworfen, falsche Informationen weiterzugeben und damit ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Hass auf Lebende, die dem Tod noch einmal von der Schippe gehüpft sind, wären mein Motiv, weil es meinem Sohn nicht vergönnt war, zu überleben. Ich sehe das nicht so. Ich sehe eine Verpflichtung meinem verstorbenen Sohn gegenüber, dessen Tod nicht den Stellenwert eines überfah-renen Kaninchens hat, und der nun, weil er tot ist, nicht mehr zählt. Ich sehe auch eine Verpflichtung den Lebenden gegenüber, deren Tod mich immer wieder in die gleiche Situation der Frage nach der Organentnahme führen kann. Die Entscheidung, Ja oder Nein zur Organentnahme, gefällt nach umfassenden Informationen, kann immer nur eine ganz persönliche sein, aber sie muss dann standhalten, wenn die Organentnahme beginnt, denn dann ist keine Korrektur mehr möglich.
Verliere ich wirklich nicht die Nächstenliebe aus den Augen? Wird sich nicht doch meine Einstellung zu Krankheit und Tod ändern, wenn mir mit einem Organ geholfen werden könnte? Was würde ich zum Beispiel tun, wenn einem meiner Kinder mit einer Organspende "geholfen" werden könnte? Würde ich denn wenigstens ein Organ von mir hergeben? Diese Fragen werden mir immer wieder gestellt. Die Antworten lauten immer "nein". Ich liebe meine Kinder, meine Familie, wie jede Mutter und Frau es tut. Brauchten meine Kinder ein Organ, dann fielen mir die Organempfänger ein, die ich im Laufe der Jahre kennengelernt habe. Mit einem unsichtbaren Band "ein Leben lang" an einen Transplantationsmediziner gekettet zu sein, macht unfrei, abhängig, erschreckt mich. Die vielen Nebenwirkungen, die auftreten durch die Einnahme von Medikamenten, die die noch funktionierenden Organe des Körper schädigen, lehne ich ab. Sie entsprechen nicht uns und unserer Lebensweise. Ich fühle mich auch nicht als Ersatzteillager für meine Kinder. In ihrem Werdungsprozess habe ich meinen Körper mit ihnen geteilt, später mein Bett, meine Nahrung. Heute teile ich mein Geld und manchmal meine Kleidung mit ihnen. Mein Mann und ich haben jetzt noch 5 Kinder. Im Extremfall hätte ich eine Niere, ein Stück meiner Leber und vielleicht zwei Hornhäute abzugeben. So verstehe ich aber meine Aufgabe und Pflicht als Mutter nicht. Immer würde ich sie auf Krankheitswegen begleiten und sie unterstützen, bis zum Tode.
Könnte ich wenigstens eine Niere abgeben, denn da hört man doch viel Positives? Nein, auch das nicht, ich halte das Leben eines Dialysepatienten nicht für leicht, aber ich beneide auch keinen Nierentrans-plantierten, der voller Pilzinfektionen steckt.
Der Tod meines Sohnes hat mich in eine tiefe Krise geführt. Damals glaubte ich, dass auch für mich das Leben vorbei sei. Ich fühlte mich gefangen in tiefster Dunkelheit, bewegungslos. In dieser Zeit tiefster Bedrängnis habe ich mich ein einziges Mal so umfassend gehalten und geborgen gefühlt von einer Kraft, die so unendlich war, dass ich sie in Notzeiten immer noch fühlen kann. Sie wurde zur Energiequelle, die mich wieder hinausführte ins Leben.
Gleichzeitig erlebte ich die Grenzen der Realität wie einen Schleier, der sich bewegte und ab und zu einen Blick in das Dahinter zuließ. Mit den Erfahrungen und Begegnungen hinter diesem Schleier und der Verankerung dieses Wissens in mein Leben und in die Realität, habe ich für mich eine neue Lebensdimension gewonnen, die mich auch den Tod meines Sohnes anders sehen lässt. Diese 15 Jahre Leben, die er nur hatte, leben in mir und mit mir, sie sind für mich unsterblich geworden. Sie tun mir gut, und ich erinnere mich gerne daran.
Leben, Sterben und Tod stehen für mich jetzt zusammen und eröffnen mir eine neue Sichtweise. Der Tod lauert nicht mehr am Ende meines Lebens wie eine Falle, der ich ausweichen muss. Weil er nun neben mir steht, ist jeder Tag ein neues Geschenk für mich, das ich in mein Lebensgefäß hineintun kann, bis es eines Tages überläuft und sich in neue Bahnen ergießt.
Die einzige Alternative zur Transplantationsmedizin für Spender und Empfänger von Organen, für jeden von uns, ist die Akzeptanz des Sterbens. Ich habe gelernt, dass die Lebensqualität eines Menschen, der auf ein Organ verzichtet und sich auf das Sterben einstellt, die Lebensqualität eines Gesunden übertreffen kann. Das Ziel meiner Bemühungen, das Sterben meines Sohnes zu begreifen, habe ich erreicht. Es ist ein Alptraum, mit dem ich leben lernen musste. Ich habe das Vertrauen verloren, das ich der Transplantationsmedizin gegenüber empfand, aber ich habe Vorstellungen zu meinem eigenen Sterben gewonnen. Dafür bin ich dankbar.

Die Wahrheit über die Organtransplantation - das ist es, was Renate Greinert in ihrem erschütternden hier dokumentierten Vortrag auf der Frühjahrstagung 2000 der Gesellschaft für Gesundheitsberatung GGB in Lahnstein aufdeckt. Sie gab ihren 15-jährigen Sohn Christian zur Explantation frei. Entsetzt mußte sie Stunden später sehen, was die Chirurgen mit dem schönen Körper ihres Sohnes angerichtet hatten.
Dr. Max Otto Bruker warnt in dem Buch "Sterben auf Bestellung. Fakten zur Organentnahme" (Hrsg. I. Gutjahr, M. Jung, emu-Verlag): "Geburt und Leben sind etwas ganz Besonderes, Schöpferisches. Das Sterben, so lehrte mich mein Beruf, jedoch auch. Gerade beim Sterben gilt es, genau hinzuhören, zu spüren und den oft nicht analysierbaren Vorgang mit allen Zeichen des noch Lebenden wahrzunehmen... Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit entscheidungsfrohe Politiker und ,Experten' die totale Explantation als etwas Normales, etwas Fortschrittliches betrachten. So ist auch die Haltung zur Diagnose ,Hirntod' eine zwangsläufige Folgerung dieses Machbarkeitswahns, der sich bereits lange abgezeichnet hat."
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