von kuhtreiber » 30.11.2010, 10:39
Ich hab mal wieder eine kleine Geschichte:
Ein Tag im NovembeRR, oder „The Race“
Kennt Ihr das? Die Saison geht zu Ende, der Oktober hatte noch ein paar schöne Tage zu bieten, doch nun ist es November. Dunkel, kalt und feucht, an richtiges Motorradfahren ist kaum noch zu denken.
Doch dann, keiner hatte mehr damit gerechnet, zeichnet sich ab, dass das Wochenende unter Zwischenhocheinfluss gerät. Trocken soll es bleiben, Temperaturen im knappen, zweistelligen Bereich und keine oder nur kleinere Verpflichtungen rund um Haus und Garten. Was die LAG natürlich völlig anders sieht! Egal, Frühstück rein geschlungen, warme Klamotten an und der Gattin ein schnelles „bin dann mal weg“ ins Ohr gehaucht.
Das Motorrad ist fix aus dem Schuppen geholt, Tank fast leer. Ab zum Tempel des schnellen Saftes und einige Liter vom Besten einlaufen lassen. Gluckernd ergießt sich der 100 oktanige Edelsprit in meinen Freudenspender. Der freundliche Halsabschneider hinter der Theke nimmt meine Plastikkarte mit einem hämischen Grinsen entgegen. Wahrscheinlich malt er sich grade aus, dass er sich allein von meinen Spritrechnungen ein neues Auto kaufen kann, und es wird kein Kleinwagen sein, Mistkerl dämlicher!
Weiter geht es, den Motor langsam warm fahren wie es sich gehört. Der Treffpunkt für das heutige Schauspiel ist schnell erreicht, und das Ziel auch schon klar, das gelobte Land (Sauerland) soll es sein. Und nicht nur das, wir wollen die verbotene Strecke über den Ochsenkopf besuchen!
Wir, wer ist eigentlich wir werdet Ihr Euch fragen?
Die vier Musketiere, in jeder Polizeistation weit über die Grenzen von NRW bekannt und berüchtigt, der unerschrockene und stets gut gelaunte Reiner mit E, unser allseits beliebter GS Treiber und Race Sachverständige Andreas der keinen Hehl um sein Alter macht, und last but not least der Hasenmann! Ja, Ihr habt richtig gelesen, der Meister der Langohren, Rasenvernichter und Lieferant der edelsten und ausgefallensten Motorradteile ist auch zugegen. Und nicht nur das, er hat ein neues Motorrad dabei. Und nicht nur irgendeines, es ist eine S1000RR!
Hurrah denkt der Ein oder Andere vor der Abfahrt, wir haben ein Opfer!
Gemeinhin denkt man ja, solch ein Geschoss sei zwar auf der Rennstrecke gut aufgehoben aber für die Landstraße denkbar ungeeignet. Aber wie schon Wilhelm Busch sagte „erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“.
Nachdem alle dem neuen Bike gehuldigt haben, geht es auf die Reise. Unser unerschütterlicher Klaus, heute mit der Schiffschaukel (R1200RT) unterwegs, übernimmt die Führung. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo zart besaitete das Lesen einstellen sollten. Ich will nicht viel Worte um die Streckenführung machen. Wie auch? Es geht im rauschendem Tempo entlang der Grenzen des südlichen Münsterland und des nördlichen Ruhrgebiet, Richtung Möhnesee. Sich die Streckenführung einzuprägen ist sinnlos. Die Positionen vorne sind gesetzt, weiter hinten wird um jeden Meter gefightet. Mitten im wilden Pulk kann ich beobachten, wie Klaus sich heldenhaft gegen die Attacken vom Hasenmann wehrt, er holt alles aus dem Boxer raus, kann aber den motivierten, Eierfeilentreiber nicht abschütteln. Ein Hauch von Adrenalin gepaart mit Selbstbewusstsein und Mut liegt in der Luft.
Den falschen Gang drin haben, bedeutet heute unweigerlich nach hinten durch gereicht zu werden. Ich weiß jetzt, warum ich ein Motorrad mit 160 PS fahre!
Aber wartet Burschen, irgendwann kommen die engen Kurven des Sauerlandes und dann, ja dann...............
Bei einem kurzen Ampelstopp erfahre ich von Andreas, dass wir vorhin an einer Radarkontrolle der Rennleitung vorbei gefahren sind. Die erschrockenen Schergen hatten keine Zeit zu reagieren. Die sofort eingeleitete Ringfahndung bleibt erfolglos, wir waren zu schnell aus dem Gebiet raus. Was soll es, die waren für uns eh nicht zuständig, für uns gelten die Regeln der FIA.
Unterwegs gelingt es mir beim überholen einer Dose, dem Fahrer ins Gesicht zu sehen. Die aufgerissenen Augen, den Mund weit offen, angstverzerrt starrt er mich an. Ein bisschen leid tut er mir schon, aber ich habe keine Zeit für Träumereien, ich hab schon wieder 10 Meter auf Reini verloren!
Vorne alles unverändert, Meister Langohr klebt Klaus am Hinterrad, wartet nur auf einen Fehler. RRespekt, da kann einer Motorradfahren. Hinten, bedingt durch den Gummiband Effekt, müssen die Gänge schnell gewechselt, die Drehzahl hoch gehalten werden. Aber wir lassen es nicht abreißen, immer auf Sichtweite rasen wir der Führungsgruppe hinterher!
Rennabbruch, wir erreichen den Möhnesee, gut so. Beim Indianer Häuptling Geronimo werden die Fahrfehler der Anderen minutiös analysiert, Meister Lampe wird in den Kreis der Unerschrockenen aufgenommen und den körperlichen Gelüsten wird in Form von Eintöpfen, Pizza und sonstigen Leckereien genüge getan.
Irgendjemand wirft in den Raum, dass Tempo sei aber anspruchsvoll gewesen, mit Vehemenz wird protestiert! Alles eine Frage der Einstellung, mentaler Vorbereitung und dem festen Willen nicht schneller zu fahren als mit aller Gewalt geht!
Nach der Völlerei geht es zügig weiter in die Berge. Immer noch auf das Tempo des Vormittags gebrieft, wundere ich mich über die Geschwindigkeit. Jetzt wo mein Revier, meine Hausstrecken, meine Lieblingskurven kommen, nimmt Klaus den Dampf raus. Immer noch zügig, überholt hat uns keiner, nehmen wir eine Kurve nach der anderen. Motiviert hänge ich hinter Reini, manches Mal komme ich seinem Hinterrad gefährlich nahe, aber er kann nicht schneller als sein Vordermann und überholen ist auf diesen engen Strecken sowieso nicht drin.
Die Hellefelder Höhe wird angesteuert, heute ist es die Hölle. Feuchte Strassen, nasses Laub auf der Ideallinie, hier ist kein Stich zu machen. Ab zum Ochsenkopf!
Es ist ja gemeinhin bekannt, dass diese Strecke an Wochenenden für den Motorradverkehr gesperrt ist, einerlei, selbstbewusst lenken wir in die Zufahrtsstraße ein, nicht ohne den Blick weit schweifen zu lassen. Irgendwo könnte sich ja einer dieser Spaßbremsen mit Kelle versteckt haben. Wir haben Glück, können die Omegakurve genießen, die wenigen Autos sind rasch überholt, und schon sind wir über eine der schönsten Strecken in Sundern angekommen.
Von hier geht es zum Sorpesee, heute kann Stavros allerdings nicht mit uns rechnen, wir kehren ein im edlen Hotel Seehof und nehmen hier unseren Kaffee zu uns und beschließen ob der vorgerückten Stunde den Heimweg einzuschlagen.
Über den Rückweg will ich nicht viele Worte verlieren. Auf der Autobahn sind wir ähnlich schnell wie am Vormittag unterwegs, nur viel entspannter! Winkend verabschieden wir uns an den diversen Autobahnausfahrten voneinander und fahren Heim.
Wer Anstoß an dieser Geschichte nehmen will und den Moralapostel raus hängen lassen will, dem rufe ich freundlich zu: „Glaub doch kein Wort von meinem Geschreibsel!“
Zuletzt geändert von
kuhtreiber am 30.11.2010, 13:25, insgesamt 3-mal geändert.