Es geht los . Die Pflöcke werden in den Boden gerammt:
Opferzahlen steigen wieder
Die Zahl der Verkehrstoten ist erstmals seit 15 Jahren wieder gestiegen
15 Jahre lang gab es in der deutschen Verkehrsunfallbilanz nur eine Richtung: Von Jahr zu Jahr wurden auf den Straßen in Deutschland immer weniger Tote gezählt, doch damit ist es zunächst vorbei. Erstmals seit 1991 steigen die Opferzahlen wieder - und zwar so stark, dass sich selbst Fachleute wundern.
2459 Tote in sechs Monaten
In den ersten sechs Monaten 2007 hat das Statistische Bundesamt 2459 Tote registriert, 6,9 Prozent mehr als im Vorjahr. "Nach einer weiteren schlechten Monatsbilanz im August glaube ich nicht, dass wir das Ergebnis von 2006 noch unterbieten können", prognostiziert der ADAC-Statistiker Wolfgang Steichele. 2006 zählte das Bundesamt 5091 Verkehrstote
Die Experten rätseln
Berücksichtigt man nicht nur die Toten, sondern auch die Verletzten, sieht die Entwicklung sogar noch düsterer aus. Um elf Prozent auf 163.603 sind die Unfälle mit Getöteten und Verletzten im ersten Halbjahr in die Höhe gegangen. Politiker, Wissenschaftler und Automobilverbände rätseln über die entscheidenden Ursachen.
Tiefensee fordert mehr Kontrollen
"Der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland hat zu mehr Verkehr auf den Straßen geführt", sagt Eckehard Schnieder vom Institut für Verkehrssicherheit in Braunschweig. Die gestiegene Zahl von Unfällen und Toten sei aber allein damit nicht zu erklären. Um den Gründen auf die Spur zu kommen, hat Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee im April eine Ursachenanalyse bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bestellt. Sie soll Aufschlüsse über regionale Unterschiede bei den Verkehrsunfällen geben, ist aber noch nicht abgeschlossen. Einstweilen fordert das Ministerium mehr Verkehrskontrollen von den Bundesländern. Parallel dazu soll die Aufklärung über Sicherheit im Straßenverkehr intensiviert werden.
"Für viele die letzte Chance"
Eine Ursache für die hohen Unfallzahlen vermutet Johannes Hübner vom Automobilclub von Deutschland (AvD) in einem gesunkenen Gefahrenbewusstsein des Autofahrers. "Durch das Einlullen im Komfort hat er nicht mehr das Gefühl, in Gefahr zu schweben." Durch die bessere Geräuschdämpfung im Wageninnenraum lasse sich das Fahrtempo nicht mehr so gut einschätzen wie bisher. Mit elektronischen Sprachhinweisen sollte der Fahrer deshalb in Zukunft auf überhöhte Geschwindigkeiten hingewiesen werden. "Für viele könnte das die letzte Chance sein, um aus ihrem Tagtraum zu erwachen".
Verkehrsunterricht an Schulen gefordert
Zugleich setzt sich der AvD aber für eine frühe Verkehrserziehung der Kinder ein. "Schon lange fordern wir, dass Verkehrsunterricht verpflichtend in der Schule eingeführt wird", sagt Hübner. In den Klassen 5 bis 7 sollten neben den Sicherheitsaspekten auch ökologische Themen mit Verkehrsbezug gelehrt werden. Wissenschaftler Schnieder wünscht sich dazu eine Verkehrserziehung in der Oberstufe - damit die Schüler besser auf das Autofahren vorbereitet werden.
Ist der milde Winter schuld?
Nach Meinung des ADAC hat der milde Winter 2006/2007 ungewöhnlich viele Motorradbesitzer verleitet, auch in der dunklen Jahreszeit zu fahren. Dabei hätten vor allem ältere Fahrer viele Unfälle verursacht. Tatsächlich sind laut Statistischem Bundesamt männliche Biker jenseits der 35 stark betroffen. Bei den 45- bis 55-Jährigen gibt es einen Anstieg der Zahl der Toten nach Verkehrsunfällen von 58,5 Prozent. Und auch bei den 35- bis 45- Jährigen liegt der Zuwachs noch bei 26,5 Prozent. Hübner vom AvD fordert deshalb Fahrsicherheitstrainings für ältere Motorradfahrer. Wiederholungen der Führerscheinprüfung brächten hingegen nichts, "wenn der Fahrer nur zweimal im Jahr auf sein Motorrad steigt".
"Rücksichtslosigkeit im Zweiradverkehr"
Doch auch andere Zweiräder haben die Bilanz belastet. Rund 7500 mehr Unfälle mit Fahrrädern als im Vorjahr registrierten die Statistiker im ersten Halbjahr. Das entspricht einem Anstieg um kräftige 24,2 Prozent. "Eine der Ursachen ist die Rücksichtslosigkeit im Zweiradverkehr", sagt Schnieder. Radfahrer würden oft die falsche Straßenseite benutzen und bei Dunkelheit nicht immer das Licht anschalten. Im Gegensatz zu Unfällen mit motorisierten Zweirädern kamen bei Fahrradunfällen aber weniger Menschen als im Vorjahr ums Leben. Die Beteiligung von Fußgängern an Verkehrsunfällen änderte sich kaum.
Nicht nur in Deutschland
Mit seiner negativen Unfallentwicklung ist Deutschland in Europa nicht allein. "Wir haben zwar 6,9 Prozent mehr Tote, aber in Großbritannien gab es im gleichen Zeitraum sogar einen Anstieg um 13 Prozent", weiß der ADAC-Mann Steichele. In manchen skandinavischen Ländern sei die Zahl der Unfalltoten sogar noch deutlicher gestiegen. Auch dort sei der Anteil der Motorradfahrer auffällig.