Und weiter gehts.....
##########################
…Kaum hatten wir es uns wieder auf der Terrasse gemütlich gemacht, eilte Simone ganz aufgeregt mit einem Handy in der Hand herbei.
Walter wurde wohl dringend benötigt.
Der verteilte dann mit einer Hand sein mühsam gegrilltes Zeug und telefonierte gleichzeitig mit dem Handy in der anderen Hand herum.
Während sich seine Miene zusehends verdunkelte, redete er in einem völlig unverständlichen Alpendialekt auf den unsichtbaren Gesprächspartner ein.
Simone stand währenddessen ganz aufgeregt neben ihrem Ehemann und versuchte dem Gespräch zu folgen.
Sie wird wohl auch die einzige gewesen sein, der dies gelungen ist. Schnell gesprochenes urtirolerisch hört sich für ungeübte Ohren an -wie Kisuaheli … rückwärts geschnattert.
Nachdem das Gespräch beendet war, riss er sich die Grillschürze herunter und verschwand in Richtung Vorplatz.
Simone übernahm indessen die Oberaufsicht. Sie wurde aber nicht sehr gefordert. Außer gelegentlich ein paar Gläsern Bier … wurde ihr nichts abverlangt.
„Was is’n passiert?“, fragte Rolf vorsichtig.
Simone schwieg zunächst, aber dann erklärte sie kurz und trocken: „Den Rudi hat’s erwischt … drüben im Tal!“
Rudi, wir erinnern uns kurz. Der Guide mit der gelben GS.
Nun gab es ja mehrere Möglichkeiten.
Hat ES ihn … oder … hatten SIE ihn … erwischt-drüben im Tal.
ES … hatte ihn wohl erwischt.
ES … das Bikerschicksal.
Oh, oh … das hörte sich nicht gut an.
Mehr Informationen waren der coolen Simone nicht zu entlocken. Deshalb warteten wir schweigend und sehr zurückhaltend Bier konsumierend, auf die Dinge, die da noch kommen würden.
Die kamen dann auch … und zwar in Gestalt von Manni. Manni war sowohl Ersatz-Tourguide, als auch Mitglied des örtlichen Motorradklubs. Und nicht zuletzt, ein alter Spezi von Rudi.
Er unterhielt sich zunächst in der Eingeborenensprache mit Simone. Wir verstanden kein Wort.
Dann setzte er sich zu uns und bemühte sich redlich, ein halbwegs verständliches Deutsch von sich zu geben.
Unbestätigten Zeugenaussagen zufolge hatte sich die ganze Sache wohl folgendermaßen abgespielt.
Wobei ich zunächst anmerken muss, dass der Manni ein etwas … wie soll ich sagen? Nun, ein eher … sagen wir mal … wettbewerbsorientierter … Fahrer ist.
Ich gebe es mal in meinen Worten wieder.
Der Rudi und seine Gelbe waren wohl im Tal unterwegs. Blümchen pflücken oder die Landschaft bewundern … oder was weiß ich … warum auch immer.
Jedenfalls sind die beiden dort, völlig überraschend … von einem Rudel Reiskocher angefallen worden.
Der Rudi und seine Gelbe haben sich nur gewehrt.
Sagte der Manni!
Jedenfalls … es kam, wie es kommen musste. Zu einem heroischen Gefecht zwischen einer einzelnen Kuh und einem Rudel tollwütiger Japan-Racer.
Die konnten natürlich nicht wissen, dass sie es mit der inoffiziellen Rekordkuh im Tal zu tun hatten.
Die Jungs waren wohl echt gut. Aber … echt gut … ist manchmal eben trotzdem … nicht gut genug.
Es ging wohl auf Biegen und Brechen.
Jedenfalls haben sie gekämpft bis zum letzten Kolbenhub. Der Rudi und seine Gelbe.
Noch im Todeskampf ... also quasi mit den Funken sprühenden Eutern auf dem Belag … kurz zuvor hatte die tapfere Gelbe den Rudi noch selbstlos abgeworfen … also noch in dieser fast aussichtslosen Lage, muss sie sich noch weiter gewehrt haben.
Den härtesten Verfolger hatte sie dann noch mitgenommen. Ins Motorrad-Nirwana.
Es gibt nicht mehr viele von ihrer Art.
Und es werden immer weniger.
Sie müssen wohl bis zum Schluss vorne gelegen haben.
„Schoad drum … so a scheens Mopped“, murmelte Manni abschließend vor sich hin.
„Oaba …“, triumphierte er dann, „ … se hoam ihn net pockt!“
Womit eigentlich alles ausgesagt war.
Was lernen wir daraus?
Ich weiß auch nicht. Aber wenn schon eine wirklich echte Kampfkuh bei solchen Gefechten über den Jordan geht, was um alles in der Welt soll man dann mit einer zivileren Ausführung dort noch reißen.
Ich weiß es wirklich nicht!
Charly schüttelte traurig den Kopf.
„Die fahren sich da noch alle den Arsch ab …!“, wiederholte er seine bereits vor einigen Tagen gemachte Prophezeiung.
Manni hob nur abwehrend die Hände und klopfte zum Abschied auf die hölzerne Tischplatte.
Kurz darauf hörten wir … wie eine Triumph bis zum Anschlag hochgedreht wurde. Manni wollte wohl noch ins Hospital. Mal nachsehen ob Rudi noch einsatzfähig war.
Immerhin war er der Ersatz-Guide.
Die Streetfighter hatten von der ganzen Sache nichts mitbekommen. Die machten sich lediglich über das gegrillte tote Fleisch her und tranken dabei zumeist ihr eigenes Bier.
Davon hatten sie einige Paletten in ihrem Transit gelagert.
Wenn man sparen kann.
Sie schienen überhaupt ein ziemlich sparsamer Haufen zu sein. Wenn man einmal von dem etwas eigenwilligen Umgang mit den doch recht teuren Hinterreifen absah.
Die wären im Leben nicht auf die Idee gekommen, in einem Bikerhotel abzusteigen.
Einer der schwarzen Ossis war zutraulich näher gekommen und plauderte ein wenig über die Urlaubsphilosophie der Truppe. Zeltplätze nur im Notfall. Wildes Campen war demnach die einzig akzeptable Form der Unterbringung.
„Klar …!, unterbrach ihn Charly, „im Regen … auf der nassen Wiese … und dann noch auf diesen dünnen Matten pennen.“
„Die Zähne mit kleinen Zweigen putzen und die Klamotten nur alle fünf Tage wechseln“, ergänzte Rolf.
„Und dann am Abend, wenn es dunkel wird … in den Wald kacken“, schwärmte Dietmar. Der war früher ein begeisterter Wildcamper.
Natürlich … das kann man alles machen. Es hat auch einen gewissen Reiz. Aber irgendwann hat man eben keine Lust mehr, auf diese ursprüngliche Art seine doch eher knappe Freizeit zu verbringen.
Das hat vielleicht auch was mit dem doch erbarmungslos fortschreitenden Alterungsprozess zu tun.
Der eher jugendliche Streetfighter konnte diese Argumentation nicht so richtig nachvollziehen.
„Wenn ich mal so ein alter Sack bin … wie ihr, dann werde ich wahrscheinlich auch ein Hotel nehmen“, erklärte er.
Warum er nun ausgerechnet mich dabei ansah, weiß ich auch nicht. Ich fand eigentlich nicht, dass ich ein alter Sack war. Charly schon eher, der sah auch aus wie ein alter Sack.
Aber ich … ?
Ganz schön dreist … dieser Bursche!
„ Dann hol ich mir auch ’ne BMW … danach kommt ja nur noch der Rollstuhl“, schwadronierte er weiter.
Charly ächzte leise und sah den Typen durchdringend an.
Der merkte nun langsam, dass er einen Gang zurückschalten musste.
„O.k. … o.k … ist nicht so gemeint. Ihr habt ja auch schon einiges hinter euch. In eurem Alter.“
Wie auch immer er das nun wieder gemeint hatte … so ganz unrecht hatte er damit sicherlich nicht.